Das System der inneren Familie
Ein Mensch hat nur eine Persönlichkeit. Das glaubten wir, bis der US-amerikanische Psychotherapeut Richard C. Schwartz festgestellt hat, dass unsere Psyche sich aus dem Selbst sowie gleich mehreren Teilpersönlichkeiten zusammensetzt. Der Zugang zum Selbst kann blockiert sein. Dann treten manche Persönlichkeitsanteile zu dominant oder zu wenig in Erscheinung. Seelische Erkrankungen, Verletzungen oder körperliche Symptome können so nicht heilen. Mit dem Internal Family Systems Model spüren IFS-Therapeuten diese Teilpersönlichkeiten auf und stellen die Verbindung zum Selbst wieder her.
Was ist das Internal Family Systems Model?
Das Modell vom System der Inneren Familie – im Englischen: Internal Family Systems Model – ist ein psychotherapeutischer Ansatz, der vom Familientherapeuten Richard C. Schwartz entwickelt wurde. Er geht davon aus, dass es nicht nur das System der äußeren Familie gibt, sondern dass ein solches auch im Inneren eines Menschen existiert. Es wird durch die verschiedenen Persönlichkeitsanteile geformt, die ein Mensch in sich trägt. Jede dieser Teilpersönlichkeiten strebt nach Einflussnahme auf das Individuum. Jeder Teil übernimmt eine bestimmte Funktion, eine festgelegte Rolle – wie die Mitglieder einer Familie. Gemeinsam mit dem Selbst formen diese Anteile die Persönlichkeit eines Menschen.
Teilpersönlichkeiten bilden das System der Inneren Familie
Schwartz geht davon aus, dass ein Mensch etwa 20 bis 30 verschiedene Persönlichkeitsteile aufweist. Diese können sich beispielsweise in Form von Gedanken, Gefühlen, Wahrnehmungen oder Bildern zeigen. Die Anteile lassen sich nach Schwartz jeweils drei Gruppen zuordnen. Dies sind folgende:
- die Gruppe der Manager
- die Gruppe der Verbannten
- die Gruppe der Feuerlöscher
Das IFS-Modell: Jede Teilpersönlichkeit hat einen eigenen Standpunkt
Jeder dieser Persönlichkeitsteile, die der Inneren Familie angehören, hat laut Schwartz eine eigene Sichtweise, eigene Interessen, Ziele, Motivationen und sogar eigene Erinnerungen. Die Aufgaben, die die Teilpersönlichkeiten übernehmen, haben für die Person einen Sinn, wenngleich sie nicht immer nur gut für sie sind. Daher sollte auch keine dieser Unterpersönlichkeiten unterdrückt oder ignoriert werden. Wenn bestimmte Teile das Gefühl haben, das Selbst ist nicht mehr in der Lage, das Systems der Inneren Familie anzuführen, übernehmen diese Anteile die Führung über das Selbst.
Das Internal Family Systems Model: die Manager-Teilpersönlichkeiten
Zur Gruppe der „Manager“ im Internal Family Systems Model gehören die Persönlichkeitsteile, die in der äußeren Welt organisierend und kontrollierend auftreten. Sie übernehmen in allen Situationen und Beziehungen die Rolle des Beschützers und versuchen dafür zu sorgen, dass der Mensch möglichst unbeschadet bleibt. Auch versuchen sie, die verbannten Persönlichkeitsteile zu beschützen und dafür Sorge zu tragen, dass sie nie wieder verletzt werden oder dass ihre potenziell explosiven Emotionen außer Kontrolle geraten.
Zu den Managern zählt Schwartz:
- den Planer (Organisator)
- den Richter
- den Kontrolleur
- den Selbstkritiker
- den Streber
- den passiven Pessimisten
- den Aufpasser
Die verbannten Persönlichkeitsteile im System der Inneren Familie
Im Modell der Inneren Familiensysteme wird die Gruppe der „Verbannten“ von den kindlichen und verletzten Persönlichkeitsteilen geformt, die schlechte und schmerzvolle Erfahrungen wie bei sexuellem Missbrauch gemacht haben. Sie wurden in tiefere Schichten der Seele verdrängt, um das System vor Überlastung zu schützen. Dennoch kommen sie immer wieder zum Vorschein.
Diese verbannten Persönlichkeitsteile tragen alle negativen Emotionen und Erinnerungen der schlechten Erfahrungen in sich, mit denen der Mensch im Laufe seines Lebens konfrontiert wurde. Auch die Einstellungen, die der Mensch aufgrund dieser Erfahrungen angenommen hat, verbergen sich in den verbannten Persönlichkeitsteilen.
Die Emotionen der verbannten Persönlichkeitsteile
Zu den Emotionen und Empfindungen, die in den verbannten Persönlichkeitsteilen gespeichert sind, zählt Schwartz:
- Wut
- Einsamkeit
- Abhängigkeit
- Angst
- Scham
- Kummer
Das System der Inneren Familie: die Feuerlöscher-Anteile
Die Gruppe der „Feuerlöscher“ wird im Internal Family Systems Model schließlich von den starken Anteilen geformt, die aktiv werden, wenn die verletzten, verbannten Teile sich bedroht fühlen und außer Kontrolle zu geraten drohen. Die Feuerlöscher treten bei verbalen oder tätlichen Angriffen auf die Person in Erscheinung und reagieren mit Gegenwehr, beispielsweise in Form von impulsivem oder gewalttätigem Verhalten. Sie zeigen sich aber auch in Form von Phantasien, Zwängen, Verstörtheit oder Dissoziationen (Systemschutz durch Abkopplung von Gedanken, Gefühlen, vom Körper und von bedrohlichen Situationen).
Feuerlöscher können sich auch gegen sich selbst richten
Diese Gegenwehr kann sich nicht nur gegen andere richten, sondern auch gegen das Selbst, etwa in Form von selbstschädigendem Verhalten. Essattacken, Sexsucht, Ritzen, übertriebener Arbeitseifer oder der Konsum von Alkohol oder anderen Drogen (Süchte) können beispielsweise Ausdruck dieser Selbstschädigung sein. Die Feuerlöscher benutzen diese Strategien, um die negativen Emotionen der verletzten Anteile zu betäuben und im Zaum zu halten. Daher sind sie für den Menschen auch so wichtg.
Persönlichkeitsteile untereinander können verschiedene Beziehungen haben
Die Persönlichkeitsteile des Systems der Inneren Familie können auf verschiedene Weise miteinander in Beziehung stehen. Manche Anteile, wie beispielsweise die Manager und die Feuerlöscher, beschützen andere Teile, etwa die Verbannten. Es ist auch möglich, dass sich Persönlichkeitsteile miteinander verbünden, um gemeinsam für ein bestimmtes Ziel zu kämpfen. Eine dritte Möglichkeit, miteinander zu interagieren, ist die Polarisierung. In dem Fall kämpfen die Anteile darum, wer über die Person bestimmen kann, wer ihre Gefühle und ihr Verhalten in einer bestimmten Situation steuern kann.
Internal Family Systems Model: das Selbst
Das Selbst ist das, was laut IFS-Modell dann zum Vorschein kommt, wenn alle anderen Teilpersönlichkeiten in den Hintergrund treten. Dann übernimmt das „Selbst“ oder das „wahre Selbst“ die Führung über die Teilpersönlichkeiten. Dies sollte laut Schwartz immer der Fall sein. Die Menschen, die Schwartz in seiner psychotherapeutischen Praxis behandelte, haben das Selbst als das beschrieben, was sie wirklich sind, als ihren wahren Kern. Demgegenüber empfanden sie die Teilpersönlichkeiten eher als Stimmen im Kopf, die nicht wirklich zum Selbst gehören.
Opfer von Gewalt verlieren den Kontakt zum Selbst
Viele Menschen, vor allem jene, die durch eine schreckliche Erfahrung (Missbrauch, Gewalt) traumatisiert wurden, haben zu ihrem Selbst nur noch einen eingeschränkten oder gar keinen Zugang mehr. Bei ihnen haben sich bestimmte Teilpersönlichkeiten zu stark in den Vordergrund gedrängt, um das Selbst zu beschützen, sodass sie es nicht mehr wahrnehmen können. Schwartz beschreibt diesen Vorgang so, dass die beschützenden Persönlichkeitsteile so stark waren, dass sie das Selbst „aus dem Körper geschubst haben“.
Im Selbst-Zustand lebt der Mensch in Harmonie mit sich und der Umwelt
Schwartz schreibt dem harmonischen Zustand, wenn das Selbst das Zepter in der Hand hält, acht Attribute zu:
- Stille
- Neugier
- Klarheit
- Mitgefühl
- Vertrauen
- Kreativität
- Mut
- Verbundenheit
Demnach ist man im „Selbst“, wenn man sich mit allen verbunden fühlt, wenn man nichts mehr verdrängt, wenn man sich von alten, ungünstigen Gedanken oder Gewohnheiten trennt und nur noch ganz aus sich heraus agiert. Dieser Zustand, in dem das Selbst die Persönlichkeit anführt, wird laut IFS-Modell von geistiger Klarheit, von innerem Frieden und einer stabilen inneren Balance charakterisiert. Schwartz vergleicht diesen Zustand am ehesten mit dem, den jene Menschen erreichen, die viel und regelmäßig meditieren wie Yogis oder buddhistische Mönche.
Warum kommt es laut IFS-Modell bei bestimmten psychischen Erkrankungen nicht zur Heilung?
Oft haben bestimmte Teilpersönlichkeiten des Inneren Familiensystems – aus guter Absicht heraus, meist um den Menschen zu schützen – die Führung der Gesamtpersönlichkeit übernommen. Andere Persönlichkeitsteile sind zu wenig bestimmend. Wenn das Selbst nicht mehr die Innere Familie anführt und koordiniert, bestehen bestimmte psychische Erkrankungen wie eine Depression, eine Trauma-Reaktion oder eine Angststörung fort und können laut Schwartz nicht geheilt werden.
Die Therapie nach dem Modell des Systems der Inneren Familie
Die IFS-Therapie: Der Weg zum Selbst als Mittel zur Heilung der Seele
Das Ziel der IFS-Therapie ist es, den Klienten zu seinem wahren Selbst zu führen, so dass es wieder die Führung über die Teilpersönlichkeiten übernimmt. Dazu müssen zu dominante Anteile zurückgedrängt, zu wenig präsente hervorgeholt werden. Es muss also ein gesundes Gleichgewicht zwischen den Teilen hergestellt werden. In diesem Zustand, in dem das Selbst den Ton angibt, ist der Klient in Harmonie mit sich und der Umwelt. Er muss nichts mehr verdrängen und ist zugleich frei von alten Gedanken- und Verhaltensmustern. Es bleibt eine wohlwollende, positive Einstellung zu den Dingen.
IFS-Therapie: Heilung durch Umgestaltung des Systems der Inneren Familie
Das Selbst kann sich nun wieder mit den Teilen verbinden, ihnen weniger extreme Rollen zuschreiben und harmonisch mit ihnen zusammenarbeiten. Die Beziehung zu den inneren Persönlichkeitsteilen kann neu gestaltet werden, wodurch der Prozess der Heilung von seelischen Erkrankungen einsetzen kann. Dadurch können sich nun auch die äußeren Beziehungen zu den Mitmenschen zum Positiven verändern.
IFS-Therapie: Herstellung eines Gleichgewichts zwischen den Anteilen
In der Therapie mit dem System der Inneren Familie geht es zunächst darum, die verschiedenen Anteile zu identifizieren und mit ihnen zu „reden“. Dies übernimmt zum Teil der Therapeut, in der Hauptsache aber der Klient selbst. Hier ist es laut Schwartz wichtig, nicht gegen die beispielsweise dominanten Persönlichkeitsteile (Feuerlöscher) anzukämpfen, sondern ihre Dienste vielmehr wertzuschätzen, ihre Ansichten zu respektieren und sich mit ihnen auszusöhnen.
Feuerlöscher müssen lernen, ihre beschützende Rolle ein Stück weit aufzugeben
Dann können sie sanft – mit ihrem Einverständnis – dazu bewegt werden, in den Hintergrund zu treten und ihre extreme Dominanz aufzugeben. So muss der aggressive Beschützer (Feuerlöscher) eines verletzten Anteils beispielsweise lernen, seine Rolle als Beschützer ein Stück weit loszulassen, sich davon zu befreien. Zu wenig präsente Anteile müssen dazu gebracht werden, stärker in den Vordergrund zu treten.
Wenn die Feuerlöscher zurücktreten, kann die Seele gesunden
Erst wenn diese Aussöhnung stattgefunden hat und die Feuerlöscher-Anteile neue, weniger extreme Rolle angenommen haben, agieren dieselben Persönlichkeitsanteile weniger zerstörerisch. Erst dann kann das Selbst die Führung über die Anteile übernehmen, die innere Familie koordinieren und die inneren sowie äußeren Veränderungen anstoßen, die nötig sind, um gesund zu werden.
Teilpersönlichkeiten des Internal Family Systems sind nicht Ausdruck einer Geisteskrankheit
Mit den Forschungsergebnissen des Familientherapeuten Schwartz hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es ganz natürlich ist, dass sich die Psyche des Menschen aus mehreren Teilpersönlichkeiten zusammensetzt. Dies ist ein normaler Zustand, der nicht mit einer echten Geisteskrankheit, wie etwa der Schizophrenie, verglichen werden kann. Bei dieser Störung entwickeln Betroffene mehrere autonome Persönlichkeiten und haben dabei die Fähigkeit verloren, zwischen Wahrem und Unwahrem zu unterscheiden. Daher wissen sie nicht mehr, was sich in der Wirklichkeit oder nur in ihrem Kopf abspielt.
Teilpersönlichkeiten erfüllen wichtige Funktionen für den Menschen
Im System der Inneren Familie von Schwartz hat jede Subpersönlichkeit ihre Daseinsberechtigung, also ihren Nutzen für den Menschen. Jede einzelne handelt im Sinne des Menschen, aus guter Absicht heraus und erfüllt wichtige Funktionen, damit dieser das Leben bestmöglich bewältigen kann.
Die Bedeutung des Internal Family Systems Model (IFS)
In den USA ist die systemische Psychotherapie mit dem Modell der Inneren Familie die Psychotherapie-Methode, die momentan am stärksten wächst. Die Vereinigung der IFS-Europe geht aufgrund der vielen Behandlungserfolge davon aus, dass diese Therapierichtung auch auf unserem Kontinent an Bedeutung gewinnen wird.
Die Inner Family Systems Therapy arbeitet mittlerweile mit klaren Methoden und nach einem standardisierten Verfahren, um Einzelpersonen, Paare und Familien bestmöglich zu behandeln. Es wird inzwischen von Tausenden IFS-Therapeuten weltweit eingesetzt, entweder als ein Therapiebaustein im Rahmen einer anderen Methode oder als eigenständige Therapieform.
IFS-Therapie: emotionale Blockaden aufspüren und lösen
Mit dem Internal Family Systems Model lassen sich Blockaden aufdecken, die ihren Ursprung in unbewussten seelischen Konflikten haben. Seitdem man die systemische Psychotherapie auf das Innere Erleben des Menschen anwendet (IFS-Therapie), erzielt man in der Familien- und Paartherapie sowie in der Therapie von Einzelpersonen gute Behandlungserfolge. Wenn der Mensch erst einmal versteht, warum seine Verbindung zum wahren Selbst versperrt ist, kann er diese Verbindung wieder herstellen, indem er sich während der IFS-Therapie von problematischen Einstellungen, Verhaltensweisen und Emotionen löst.
Richard C. Schwartz: der Entwickler des Internal Family Systems Model
Der Psychotherapeut Dr. Richard C. Schwartz gehört in den USA zu den bekanntesten Paar- und Familientherapeuten. Er entwickelte den Ansatz vom System der Inneren Familie in den 1980er Jahren, nachdem er zur Bedeutung der systemischen Familientherapie und der bis dahin in der Fachwelt nur wenig beachteten Unterpersönlichkeiten des Menschen geforscht hatte.
Nur Freud hatte bis dato mit seinem Modell vom „Ich“, dem „Über-Ich“ und dem „Es“ berücksichtigt, dass die Psyche des Menschen sich aus mehreren Teilpersönlichkeiten zusammensetzt. Jedoch ist das Freud’sche Modell nicht so vielschichtig wie das von Schwartz, denn es geht von nur drei verschiedenen Persönlichkeitsteilen statt von einer Vielzahl aus.
Teilpersönlichkeiten haben einen großen Sinn für den Menschen
Seine Forschungen mündeten in der Erkenntnis, dass die Persönlichkeit sich aus vielen Unterpersönlichkeiten zusammensetzt, die sich miteinander austauschen. Das Neue daran war, dass er diesen Umstand nicht wie bisherige Spezialisten als Ausdruck einer Geisteskrankheit ansah, sondern als ganz natürlichen und gesunden Mechanismus, den die menschliche Psyche entwickelt hat, um das Leben bewältigen zu können.
Die beruflichen Stationen von Richard C. Schwartz
Schwartz promovierte 1980 an der Purdue University (Indiana). Er arbeitete als Professor am Psychiatrischen Institut der University von Illinois, am College of Medicine in Chicago und als Therapeut am Family Institute der Northwestern University. Zudem war er mehrere Jahre am Castlewood Treatment Center in St. Louis tätig, wo er Menschen mit Essstörungen behandelte.
IFS-Therapeut und Gründer des Zentrums für die Dominanz des Selbst
Auch unterhielt er eine eigene psychotherapeutische Praxis. In seiner Arbeit als Familientherapeut hat sich Schwartz auf die Behandlung von Gewaltopfern, Traumatisierten und essgestörten Menschen spezialisiert und wendete sein Verfahren viele Jahre mit guten Behandlungserfolgen an. Im Jahr 2000 gründete er daher das Center for Self Leadership (Führung der Persönlichkeit durch das Selbst) in Illinois.
Schwartz bietet aktuell IFS-Weiterbildungen in vielen Ländern an
Aktuell arbeitet Schwartz an der Harvard Medical School in der Abteilung für Psychiatrie. Außerdem gibt er sein Wissen über das Internal Family Systems Model in Form von Weiterbildungen an Interessierte weiter. Er unterrichtet in den USA, Deutschland, Spanien und vielen weiteren Ländern. Sein Spezialgebiet ist noch immer die Therapie von Menschen mit Essstörungen, Traumata und Gewalterfahrungen. Dr. Schwartz veröffentlichte diverse Bücher zum Thema Internal Family Systems Model, die auch in viele Sprachen übersetzt wurden.
Das IFS-Modell – für mehr Selbstachtsamkeit
Das Internal Family Systems Model gehört zu den Verfahren, das eine höhere Achtsamkeit zum Ziel hat, sowohl sich selbst als auch anderen gegenüber. Indem die Stimmen als bestimmte Teile der Persönlichkeit identifiziert und benannt werden, ist man sich der eigenen Gedanken und Einstellungen bewusster und weiß, welchem Teil sie zuzuordnen sind. Der Mensch beobachtet sich dadurch intensiver und entwickelt den verschiedenen Stimmen beziehungsweise Unterpersönlichkeiten gegenüber eine verständnisvolle Haltung, übernimmt ihre Positionen aber nicht mehr zwangsläufig.
Ist die IFS-Therapie wissenschaftlich anerkannt?
Das Modell des Systems der Inneren Familie von Richard C. Schwartz ist eine wissenschaftlich anerkannte Therapiemethode. Die „Substance Abuse and Mental Health Services Administration“ hat das Therapieverfahren im Jahre 2015 anerkannt, da es seine Wirksamkeit bei mehreren psychischen Störungen und Einschränkungen des Wohlbefindens beweisen konnte.
Kritische Stimmen bemerken, dass es keine Vergleichsstudien der IFS-Therapie mit anderen anerkannten Methoden gibt und auch keine zum Langzeiterfolg des Verfahrens. Daher könne man noch keine finale Aussage zur tatsächlichen Wirksamkeit der IFS-Therapie machen. Allerdings sprechen die individuellen Behandlungserfolge, die Schwartz in den vielen Jahren eigener psychotherapeutischer Praxis erzielte, dafür, dass diese Therapieform tatsächlich Wirkung zeigt.
Einsatzgebiete der IFS-Therapie: Für wen ist die Behandlung geeignet?
Das Internal Family Systems Model ist zur Therapie von Einzelpersonen, Paaren sowie Familien geeignet. Es hat sich bei folgenden Erkrankungen, Störungen beziehungsweise Erfahrungen bewährt:
-
- Traumata (sexuellem Missbrauch)
- physischer und psychischer Gewalt (wie Mobbing)
- zwanghaftem Verhalten
- Depression
- bipolarer Störung
- Angststörungen (z. B. generalisierte Angststörung)
- Panikattacken
- Phobien
- Suchterkrankungen
- Störungen im Körperbild
- bestimmten körperlichen Leiden
IFS-Therapie kann Körper, Geist und Seele stärken
Die Therapie nach dem Modell des Systems der Inneren Familie ist neben der Heilung diverser psychischer Erkrankungen in der Lage, das allgemeine seelische Wohlbefinden sowie auch die körperliche Gesundheit zu verbessern. So gibt es eine Studie aus dem Jahr 2013, bei der die IFS-Therapie gute Behandlungserfolge bei Rheumatoider Arthritis erzielte. So konnten mit der IFS-Therapie sowohl die Schmerzen der Patienten gelindert als auch die Depression als Folge der Erkrankung gelindert werden.
IFS-Therapie fördert die Widerstandskraft des Menschen
Nachgewiesen wurde auch der positive Effekt der IFS-Therapie auf den Geist des Menschen. So kann die Methode nicht nur die Stressresistenz, also die psychische Belastbarkeit eines Menschen, und die Resilienz erhöhen, sondern auch das Selbstvertrauen und die Selbstkontrolle stärken.
IFS-Therapie kann Langzeit-Psychopharmaka-Behandlung überflüssig machen
Auch wird das Modell der Inneren Familie von einigen Spezialisten als eine Möglichkeit betrachtet, Langzeitabhängigkeiten von Psychopharmaka zu verhindern. So könnte die langfristige Gabe von Medikamenten bei Depression künftig vermieden werden. Forschungen hierzu stehen aber noch aus.
Weitere Einsatzfelder der IFS-Therapie
Neben der Beratung von Jugendlichen, Paaren und Familien kommt die IFS-Methode auch im Rahmen von Gesundheitscoachings, Mediationen (konstruktive Beilegung von Konflikten) oder Schulungen für Führungskräfte zum Einsatz. Aber auch im Rahmen medizinischer Behandlungen, etwa in der Therapie zur Linderung chronischer Schmerzen findet sie bereits Verwendung.
Methoden und Techniken der Therapie nach dem Modell der Inneren Familie
In der therapeutischen Arbeit mit Einzelpersonen ist es wichtig zu herauszufinden, welches die beschützenden Anteile sind. Schwartz empfiehlt, sich in einer IFS-Therapie zunächst mit diesen Persönlichkeitsteilen auseinanderzusetzen. Dabei gilt es, eine direkte Beziehung zu diesem Teil aufzubauen. Der beschützende Teil sollte die Gelegenheit bekommen, dem Klienten und Therapeuten seine Bedenken und Ansichten mitzuteilen. Diese sollten von Klient und Therapeut respektiert und wertgeschätzt werden.
Zu Beginn der IFS-Therapie sollte ein System erarbeitet werden, mit dessen Hilfe der Teil dem Klienten mitteilt, wann ihm die Dinge in der Therapie zu schnell vorangehen. Während der Therapie arbeitet der IFS-Therapeut mit diversen bildlichen und nicht-bildlichen Techniken. Zu den nicht-bildlichen Techniken gehören:
- den inneren Dialog des Klienten beurteilen
- die IFS-Sprache benutzen
- Lokalisierung der Persönlichkeitsteile im Körper
- die grafische Darstellung der Beziehungen zwischen den Teilen
- Protokollieren der Behandlungsschritte
- Herstellung eines direkten Zugangs vom Therapeuten zu den Teilen, vom Selbst zu den Teilen sowie von einem Teil zum anderen Teil
Im weiteren Therapieverlauf kommen auch bildliche Techniken (Visualisierungen) zum Einsatz. Dazu gehören:
- die Raum-Technik
- die Berg- oder Pfad-Übung
- das In-die-Zeit-zurückgehen mit einem Teil und ihn von der Last befreien
- die Teile in die Gegenwart führen („Rettung“ der Teile)
- die Arbeit mit Zukunfts-Bildern (Visionen)
- die Arbeit mit mehreren Teilen
- die Konfrontation mit einem traumatischen Erlebnis
- die bildliche Vorstellung von einem heilsamen Ort
- der visualisierte Einsatz von Licht
Die Stärken des Internal Family Systems Model
Die Stärken der IFS-Therapie liegen für Schwartz in folgenden Aspekten:
- im Fokus auf das Positive im Negativen wie dem unzerstörten Kern des Selbst und der Fähigkeit der Teile, positive Rollen anzunehmen
- die IFS-Sprache macht es möglich, sich selbst von einer anderen Perspektive aus zu sehen
- die IFS-Sprache ermöglicht die Aufdeckung und Übernahme von Verantwortung für Verhaltensweisen
- die IFS-Sprache ist mächtig
- findet einen Weg, um mit Widerstand und Leugnung zu arbeiten
- versteht sich als ganzheitliches Therapiesystem, zu dem auch der Therapeut gehört
- Respekt vor der individuellen Erfahrung des Problems
Wo findet man einen Therapeuten für das Modell der Inneren Familie?
Therapeuten oder Coaches in Deutschland, die eine Ausbildung im Modell des Systems der Inneren Familie gemacht haben und danach arbeiten, finden Interessierte im Internet auf der Homepage des Vereins für IFS-Europe unter https://www.ifs-europe.net/therapeuten-und-coaches/.
Ausbildung und Weiterbildung im IFS-Modell
Interessierte können die IFS-Methode in Seminaren und Workshops erlernen. Der Verein IFS-Europe bietet Einführungsworkshops zum Thema an, aber auch eine zweijährige Ausbildung zum IFS-Trainer. Informationen dazu gibt es unter https://www.ifs-europe.net/aus-und-fortbildung/.
IFS-Therapeuten können Klienten-Fragebogen zur Inneren Familie erhalten
Auf der Homepage des Centers for Self Leadership (Zentrum für Führung der Persönlichkeit durch das Selbst) unter https://www.ifs-scale.com/ können IFS-Therapeuten oder -anwender sich gegen eine Gebühr einen Fragebogen zuschicken lassen, mit dem sie ihre Klienten zur Ausprägung der verschiedenen Persönlichkeitsteile befragen können. Dieser Test wurde in Zusammenarbeit mit Richard C. Schwartz entwickelt und gibt den IFS-Therapeuten oder -anwendern einen guten Einblick in das System der Inneren Familie eines Klienten. Unter Zuhilfenahme einer Skala, lässt sich damit herausfinden, wie dominant die Anteile jeweils sind und wie ausgeprägt der Zugang zum Selbst ist.
IFS-Therapie und Bachblüten
Die Arbeit mit der inneren Familie kann wunderbar mit Bachblüten unterstützt werden. Sie können zum einen dabei helfen, im Selbst zentriert zu bleiben, anstatt von inneren Anteilen überwältigt oder kontrolliert zu werden, und den konstruktiven Dialog des Selbst mit den verschiedenen Teilen zu unterstützen. Zum anderen können Bachblüten auch verwendet werden, um damit bei bestimmten Persönlichkeitsanteilen einen ausgeglicheneren Zustand zu fördern. Wenn man in der Therapie mit einem Anteil in Kontakt ist, zeigen sich die relevanten Themen, wonach man die passenden Bachblüten bestimmt.