Alles, was Du über Linkshändigkeit wissen sollest: Über Intelligenz, Kreativität und Linkshänder Probleme
Linkshänder leben in einer Welt, die für Rechtshänder gemacht ist. Heute weiß man, dass Linkshänder mehr mit der rechten Gehirnhälfte arbeiten, wohingegen klassische Linkshänder stärker die rechte Hirnhälfte nutzen. Dadurch kann es zu Unterschieden im Wesen zwischen Linkshändern und Rechtshändern kommen. Worin bestehen diese Unterschiede? Wie kommt es dazu, dass ein Mensch die linke Hand bevorzugt? Und welche Folgen kann eine Umschulung auf die rechte Hand für Linkshänder haben? Diesen und weiteren Fragen wird im folgenden Beitrag auf den Grund gegangen.
Was versteht man unter Linkshändigkeit?
Nach Johanna Barbara Sattler, eine der führenden Psychotherapeutinnen und Forscherinnen auf dem Gebiet der Linkshändigkeit, steht fest: „Händigkeit ist Hirnigkeit“. Das bedeutet, dass bei Menschen, bei denen die linke Hand die dominierende ist, mit der sie also schreiben, malen, hantieren, etc., eher die rechte Gehirnhälfte die dominante ist. Umgekehrt ist bei Rechtshändern eher die linke Gehirnhälfte dominant. Die linke Gehirnhälfte steuert Prozesse der rechten Körperhälfte. Die rechte Gehirnhälfte regelt Abläufe der linken Körperseite.
Der biologische Nutzen von Linkshändigkeit ist unklar
Linkshändigkeit existiert laut Forschern bereits seit Anbeginn der Menschheit und zwar zu einem nahezu gleichbleibenden Anteil. Über den Sinn von Linkshändigkeit kann die Forschung bislang nur spekulieren. Manche sehen in der Linkshändigkeit den Vorteil im Duell mit einem Gegner, da ein Linkshänder diesen mit der linken statt mit der rechten Hand angreift und er so den Überraschungsmoment auf seiner Seite hat.
Einige Forscher sind der Meinung, dass Linkshändigkeit, wenn sie ein Nachteil wäre, sich im Verlauf der Evolution schon verloren hätte. Wäre sie hingegen von großem Vorteil, hätte sie sich unter den Menschen heute bereits durchgesetzt. Daher sehen viele Forscher – wie der Psychotherapeut Stefan Gutwinski von der Charité – in der Linkshändigkeit einfach „eine Spielart der Natur“, die der Rechtshändigkeit weder in irgendeiner Form überlegen noch unterlegen ist.
Wie viele Menschen sind Linkshänder?
Viele Forscher gehen davon aus, dass rund zehn Prozent aller Menschen linkshändig sind. Andere Experten für Linkshändigkeit schätzen den Anteil viel höher ein, auf etwa 50 Prozent. Da es heute mehr Kinder gibt, die Linkshänder sind, scheint ein höherer Anteil durchaus wahrscheinlich. Früher gab es einen weit geringeren Anteil an Linkshändern, da diese bereits bei Schuleintritt auf die rechte Hand umgeschult wurden. Daher gehen viele Experten davon aus, dass ein großer Anteil der heutigen Erwachsenen, der sich für rechtshändig oder auch „beidhändig“ hält, in Wahrheit linkshändig ist.
Stigmatisierung der Linkshändigkeit in der Geschichte
Bis noch vor wenigen Jahrzehnten galt Linkshändigkeit in unserer Geschichte als Stigma, als gesellschaftlich unerwünscht und unnormal. Das lässt sich sogar an bestimmten Redewendungen erkennen. Aussagen wie, dass jemand sei „linkisch“, also tollpatschig, oder dass „nichts ‚Rechtes‘ aus jemandem wird“, deuten auf eine historisch negative Besetzung von links und eine positive Besetzung von rechts hin.
Als Linkshänder mit rechts schreiben oder: Warum gerade das Schreiben mit der dominanten Hand so wichtig ist
Das Schreiben mit der dominanten – bei Linkshändern der linken, bei Rechtshändern der rechten – Hand ist deshalb so wichtig, weil dies ein hochkomplexer Vorgang ist, der dem Gehirn viele verschiedene Kompetenzen auf einmal abverlangt. So werden dem Gehirn beim Schreiben nicht nur eine gute Feinmotorik und das Erinnern des Bewegungsablaufs bei der Ausführung der Buchstaben abgefordert, sondern auch eine korrekte Rechtschreibung und Grammatik sowie das ständige überprüfen auf Korrektheit der inhaltlichen Aussage.
Dieser Prozess erfordert also anhaltende Konzentration und fortwährende Gedächtnisarbeit – also absolute Höchstleistung – vom Gehirn. Das bedeutet, dass das Schreiben eines Linkshänders mit der rechten Hand zur Überlastung der linken, nicht dominanten Gehirnhälfte und zur Hemmung der rechten, dominanten führt, wodurch sich verschiedenste Funktionsstörungen ergeben können.
Eigenschaften: Gibt es Unterschiede in Charakter und Wesen von Linkshändern und Rechtshändern?
Linkshänder Eigenschaften: Wenn die rechte Gehirnhälfte dominiert
Das menschliche Gehirn besteht aus zwei, in etwa gleich großen Teilen (Hemisphären), die über den sogenannten Balken (dem Corpus callosum) miteinander verbunden sind. Durch diese Querverbindung sind beide Gehirnhälften in der Lage, zusammenzuarbeiten. Dennoch übernehmen beide Hemisphären unterschiedliche Aufgaben, sind also auf bestimmte Funktionen spezialisiert. Bei den Linkshändern dominiert die rechte Hirnhälfte, bei den Rechtshändern die linke. Die rechte Gehirnhälfte ist eher zuständig für:
- ganzheitliches, komplexes und vernetztes Denken
- Gleichzeitigkeit
- Körperwahrnehmung
- Raumwahrnehmung
- Intuition
- Kreativität und Vorstellungsvermögen (bildhaftes Denken)
- Sprachmelodie und das Lesen zwischen den Zeilen
- soziale Wahrnehmung
- das Erkennen von Gefühlen
- autonomes Denken
- strategisches Denken
- Gesichtserkennung
- Zahlenverständnis
Rechtshänder Eigenschaften: Wenn die linke Gehirnhälfte dominiert
Bei den meisten Menschen, den Rechtshändern, ist die linke Gehirnhälfte eher die dominante, die eher für das rationale Denken zuständig ist, aber auch für:
- das analytische Denken
- das logische Denken
- die Steuerung routinierter Abläufe
- das Zeitgefühl
- viele Sprachprozesse
- das lineare (aufeinanderfolgende) Denken
- die Umsetzung von Ideen
- die Wahrnehmung von Details
- abstrakte Ideen wie Liebe und Freiheit
Inzwischen zweifeln Neurologen aber die bislang angenommene strikte Trennung in zwei unterschiedlich arbeitende Gehirnhälften an. Zwar nehmen diese unterschiedliche Aufgaben wahr, aber die Unterschiede fallen weniger stark aus als bislang vermutet.
Gibt es besondere Auffälligkeiten bei Linkshändern?
Obwohl Linkshändigkeit in der Regel nicht mit besonderen Nachteilen verbunden ist, haben Ärzte festgestellt, dass bei vielen Linkshändern im Vergleich zu Rechtshändern spezifische Besonderheiten auftreten. So kommt es bei vielen Linkshändern zu folgenden Auffälligkeiten:
- ein späterer Eintritt der Geschlechtsreife
- eine spätere Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale (wie Intimbehaarung oder Eintreten des Stimmbruchs)
- eine geringere Körpergröße
- Lese-Rechtschreibschwäche
- Rechenschwäche (Dyskalkulie)
- Sprachstörungen (wie Stottern, Stammeln oder Wortfindungsstörungen)
- Konzentrationsprobleme und Gedächtnisstörungen
Krankheitsbilder, bei denen Linkshänder überdurchschnittlich oft vertreten sind
Untersuchungen haben ergeben, dass unter Menschen mit Erkrankungen wie Schidzophrenie (Persönlichkeitsstörung), Epilepsie (neurologische Erkrankung mit Krampfanfällen) oder Autismus auffällig viele Linkshänder sind. Hingegen ist der Anteil von Linkshändern an Menschen, die beispielsweise an einer Depression oder einer bipolaren Störung erkrankt sind, nicht signifikant höher als der von Rechtshändern.
Gibt es typische Stärken in der Persönlichkeit von Linkshändern?
Es gilt in der Gesellschaft das Klischee, dass Rechtshänder ihre Stärke eher im logischen Bereich haben, wohingegen Linkshänder eher kreativ und künstlerisch begabt sind. Tatsächlich sind unter den großen Künstlern früherer und auch heutiger Zeiten viele Linkshänder zu finden. Auch in mehreren Studien konnte der Zusammenhang von besonderer Kreativität und einer Dominanz der rechten Gehirnhemisphäre (Linkshändigkeit) nachgewiesen werden. Dabei wird oft vergessen, dass es mindestens ebenso viele großartige Künstler gibt, die Rechtshänder sind.
Die Informationsverarbeitung verläuft bei Linkshändern schneller
Was eine australische Studie, die 2006 veröffentlicht wurde, gezeigt hat, ist, dass bei Linkshändern die Zusammenarbeit zwischen der rechten und der linken Gehirnhälfte schneller verläuft, weshalb sie Informationen offenbar schneller verarbeiten können.
Linkshändigkeit und Kreativität: Sind Linkshänder kreativer?
Voluminöserer Balken könnte auf besondere kognitive Leistungsfähigkeit hindeuten
Viele Studien konnten nachweisen, dass Linkshänder gegenüber Rechtshändern einen voluminöseren, also einen stärker ausgeprägten, Balken aufweisen, woraus manche Forscher das Potenzial für hohe kognitive Leistungen wie eine besondere Sprachflüssigkeit, eine ausgeprägte Musikalität, Kreativität sowie Merkfähigkeit ableiten. Diese Schlussfolgerung ist aber bislang nicht ausreichend durch Studien belegt. Andere Forscher führen eine ausgeprägte musikalische Begabung auf die Umschulung früherer Linkshänder zurück, wodurch es häufig zur Ausprägung einer Beidhändigkeit kommt, die beim Spielen eines Instruments einen großen Vorteil darstellt.
Rechte Gehirnhälfte scheint bei Linkshändern besser entwickelt
Chris McManus, Psychologe am University College London, hat in seinen Studien herausgefunden, dass bei Linkshändern die rechte Hemisphäre „besser entwickelt“ ist, die wiederum beim kreativen Denken stärker involviert zu sein scheint.
Linkshänder entwickeln oft mehrere Lösungen für ein Problem
Andere Forschungen haben gezeigt, dass Linkshänder gegenüber Rechtshändern oft eine bessere Kompetenz im divergenten Denken haben. Darunter versteht man die Fähigkeit, für ein Problem gleich mehrere Lösungen zu präsentieren. Allerdings konnte in diesen Forschungsarbeiten der ursächliche Zusammenhang zur Linkshändigkeit nicht eindeutig hergestellt werden.
Ob Linkshänder besonders kreativ sind, bleibt weiter unklar
Statistisch gesehen, findet man unter kreativen Menschen wie Wissenschaftlern und Künstlern, in etwa gleich viele Linkshänder und Rechtshänder, was gegen die Theorie spräche, dass Linkshänder gegenüber Rechtshändern besonders kreativ seien. Ob in diesen Studien allerdings die umgeschulten Linkshänder als rechtshändig eingestuft wurden, ist unklar. Wenn ja, könnte das Ergebnis zu falschen Schlüssen geführt haben
Gibt es einen Zusammenhang von Linkshändigkeit und hoher Intelligenz?
Statistisch gesehen, gibt es bezogen auf die Intelligenz keine Unterschiede zwischen Linkshändern und Rechtshändern. Bei beiden ist die Intelligenzverteilung im Durchschnitt gleich. Allerdings sind bei Linkshändern die Ausschläge nach oben und unten extremer. So gibt es unter hochbegabten Schulkindern einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Linkshändern. Gleiches gilt allerdings auch für die besonders lernschwachen Schüler.
Mögliche Ursachen der Linkshändigkeit
Doch was entscheidet darüber, ob ein Mensch die linke oder rechte Hand bevorzugt? In der Forschung werden hier ganz unterschiedliche Ursachen diskutiert, zum Beispiel die folgenden:
- eine genetische Veranlagung
- ein Geburtstermin im Frühjahr und Frühsommer
- Virusinfekte der Mutter während der Schwangerschaft
- Probleme rund um die Geburt herum (etwa Sauerstoffmangel unter der Geburt)
Linkshändigkeit – Welche Rolle spielen die Gene?
Da in einer Familie mit einem linkshändigen Kind häufig auch noch andere Familienmitglieder linkshändig sind, liegt der Schluss nahe, dass auch die Gene eine Rolle bei der Ausprägung von Linkshändigkeit spielen. Forscher haben zwar ein bestimmtes Gen im Verdacht, allerdings kann dieses laut Studien nicht allein die Ursache dafür sein, ob sich eine Bevorzugung der linken Hand ausprägt. Es müssen demnach mehrere Faktoren an der Entstehung von Linkshändigkeit beteiligt sein.
Besonders häufig lässt sich beobachten, dass ein linkshändiges Kind eine linkshändige Mutter hat, was für eine vorrangige Vererbung durch die Mutter spricht. Für eine genetische Veranlagung von Linkshändigkeit spricht auch, dass adoptierte Kinder in der Regel eher die Händigkeit von ihren biologischen Eltern haben als von den Adoptiveltern. Die Wahrscheinlichkeit zweier rechtshändiger Eltern, ein linkshändiges Kind zu bekommen, liegt bei nur zwei Prozent. Hingegen liegt sie bei linkshändigen Eltern bei rund 46 Prozent.
Linkshändigkeit – Welche Rolle spielt der Geburtstermin?
Fachärzte haben beobachtet, dass Linkshändigkeit erheblich häufiger bei Menschen vorkommt, die im Frühling und Frühsommer – also in der Zeit von März bis Juli – geboren werden. Daraus leiten sie ab, dass ein möglicher Vitamin D-Mangel, der während der dunkleren Winterzeit häufig auftritt, die Entwicklung des embryonalen Gehirns beeinflussen und zu einer Linkshändigkeit führen könnte. Als potenzielle Auslöser werden aber auch vermehrte Virusinfektionen während der Winterzeit diskutiert.
Linkshändigkeit – Welche Rolle spielen vorgeburtliche oder Geburtskomplikationen?
Forscher halten auch vorgeburtliche Probleme oder Schwierigkeiten während oder nach der Geburt für mögliche Auslöser von Linkshändigkeit. So könnten Infektionen des ungeborenen oder geborenen Kindes, eine zu frühe Geburt sowie eine zeitweise Unterversorgung mit Sauerstoff unter der Geburt zu Veränderungen im Gehirn und somit zur Linkshändigkeit führen.
Diese Komplikationen scheinen aber nur in Einzelfällen für Linkshändigkeit verantwortlich zu sein. Denn laut Beobachtungen von Ärzten, die mithilfe von Ultraschallbildern gemacht wurden, nuckeln spätere Linkshänder bereits als Embryonen im Mutterleib am linken Daumen, wohingegen spätere Rechtshänder im Mutterleib dafür den rechten Daumen nutzen.
Test zur Feststellung von Linkshändigkeit?
Einen anerkannten schnellen Test zur Erkennung von Linkshändigkeit gibt es nicht. Da Linkshänder in der Vergangenheit schon im frühen Kindesalter umgeschult wurden, ist zur Feststellung von Linkshändigkeit ein längerer Test bei einem Fachmann (s. Netzwerk der zert. Linkshänder-Beraterinnen und Linkshänder-Berater nach der S-MH®-Methode) erforderlich.
Im Internet findet man aber einen Auszug des Fragebogens, den die Leiterin der Beratungsstelle für Linkshänder, Johanna Barbara Sattler, ausgearbeitet hat: Beobachtungsbogen zur Abklärung der Händigkeit.
Ein einfacher Schnelltest zur Linkshändigkeit, den viele Experten für einen ersten Eindruck benutzen, lässt sich dennoch durchführen. Dieser fragt eher unbewusste Handlungen ab, die durch die Erziehung weitgehend unbeeinflusst geblieben sind, zum Beispiel:
- Sie klatschen in die Hände. Welche Hand ist oben?
- Sie falten Ihre Hände zum Gebet. Welcher Daumen liegt oben?
- Es juckt Sie in der Mitte des Rückens. Mit welcher Hand kratzen Sie sich?
- Welche Hand legen Sie ans Ohr, wenn Sie etwas nicht genau verstanden haben?
- An welches Ohr halten Sie das Telefon beim Telefonieren?
- Verschränken Sie die Hände hinterm Rücken. Welche Hand hält die andere?
- Sie gucken in ein Fernrohr. Mit welchem Auge schauen Sie hinein?
- Sie jonglieren mit einem Ball. Welche Hand wirft den Ball zuerst hoch?
- Welche Hand dreht den Deckel der Wasserflasche auf?
Beidhändigkeit: Umgeschulte Linkshändigkeit oder echte Beidhändigkeit?
Johanna Barbara Sattler hält Beidhändigkeit – also den wechselnden Handgebrauch, häufig abhängig von der Tätigkeit – für eine Folge umgeschulter Linkshändigkeit. Für sie und auch für viele andere Experten wie Chris McManus vom University College in London gibt es das Phänomen der „Beidhändigkeit“ nicht und wenn, dann nur äußerst selten. Sie schätzen den Anteil jener Menschen, bei denen tatsächlich keine der beiden Gehirnhälften dominant ist auf etwa ein Prozent.
Meist sind Beidhänder verkappte Linkshänder
Die meisten Beidhänder zeigen bei eingehenderen Tests eine eindeutige Dominanz in der Händigkeit. Ihrer Auffassung nach haben diese Menschen früh lernen müssen, Aufgaben auch mit der schwächeren Hand durchzuführen, sodass sie inzwischen auch mit dieser Hand ein gewisses Maß an Geschicklichkeit erlangt haben. Denn früher wurden linkshändige Kinder in der Schule und durch die Eltern umgeschult oder sie haben sich von allein – durch Beobachtung ihres Umfelds – umgeschult.
Linkshändigkeit im Kindesalter
Linkshändigkeit im Baby- und Kleinkindalter erkennen
Es ist wichtig, dass Eltern bis zum Schuleintritt wissen, ob ihr Kind bevorzugt mit der linken oder mit der rechten Hand arbeitet. Die Präferenz einer Hand zeigt sich meist schon sehr früh. So kann man bereits bei Babys erkennen, ob sie eher mit links nach etwas greifen oder halten oder mit rechts. Später benutzen linkshändige Kleinkinder beim Essen, Malen, Basteln und werkeln ebenfalls bevorzugt die linke Hand.
Auch reichen kleine Linkshänder einem anderen Menschen die Hand zur Begrüßung intuitiv die linke Hand, was ein deutlicher Marker dafür ist, dass es wahrscheinlich linkshändig ist. Wenn ein Kind eine eindeutige Tendenz zur Linkshändigkeit zeigt, dann bedarf es keines besonderen Tests.
Wechselt ein Kind oft die Hand, orientiert es sich am rechtshändigen Umfeld
Es gibt aber auch Kinder, die zwischen den Händen hin und her wechseln. Das kann daran liegen, dass sie versuchen, ihr überwiegend rechtshändiges Umfeld nachzuahmen. Wenn ein Kind auch im Vorschulalter noch häufig die Hand wechselt, dann ist ein Gespräch mit dem Kinderarzt oder einem Experten für Händigkeit sinnvoll.
Linkshändigkeit bei größeren Kindern erkennen
Ist die Händigkeit bei einem älteren Kind nicht zweifelsfrei geklärt, könnten Eltern ihr Kind beobachten, mit welcher Hand es Aktionen ausführt, die meist von einer Nachahmung des sozialen Umfelds unberührt bleiben. Dazu gehören etwa das Blumengießen, das Zähneputzen oder das Händeklatschen.
Tipps für Eltern von linkshändigen Kindern
Tipps für Eltern linkshändiger Kleinkinder
Wenn Eltern nicht genau wissen, welche Hand ihr Kind bevorzugt benutzt, können sie ihm das Spielzeug nicht in eine bestimmte Hand geben, sondern es ihm in die Mitte reichen, damit es sich frei entscheiden kann, mit welcher Hand es danach greift. Auch das Besteck kann beispielsweise oberhalb des Tellers statt rechts neben dem Teller platziert werden.
Auch sollten wertende Aussagen wie: „Gib dem Mann lieber die rechte (oder schöne) Hand“ von Eltern vermieden werden, weil sich das Kind dann für seine Linkshändigkeit schämt. Ebenfalls sollten Eltern darauf achten, dass Verwandte und Bekannte diese immer noch praktizierten Umerziehungsmaßnahmen nicht einsetzen. Weitere Tipps für den Umgang mit Linkshändigkeit finden Eltern unter http://www.linkshaender-beratung.de.
Linkshändigkeit bei Schulkindern: Wie können Eltern ihr Kind optimal fördern?
Wenn sich herausstellt, dass ein Kind Linkshänder ist, braucht es eine spezielle Linkshänder-Ausrüstung für die Schule. Dazu gehören eine Schere, ein Spitzer sowie ein Lineal speziell für Linkshänder ebenso wie dreieckige Wachsmalkreiden sowie Stifte und Schreibauflagen, mit denen Linkshändern das Erlernen einer lockeren Mal- und Schreibhaltung erleichtert wird.
Gerade das Schreibenlernen ist für Linkshänder aufgrund der besonderen Handführung schwieriger als für Rechtshänder. Häufig führt die schiebende Bewegung zu einer verkrampften Handhaltung, die Haltungsprobleme nach sich ziehen kann. Daher ist es wichtig, dass linkshändige Kinder frühzeitig eine lockere Schreib- und Malhaltung gezeigt bekommen.
Linkshänder umschulen ja oder nein?
Die Umerziehung der Linkshändigkeit im Kindesalter und mögliche Folgen
In früheren Jahrzehnten hat man linkshändige Kinder spätestens in der Schule zur Rechtshändigkeit umerzogen – mit teils brachialen Methoden. Aufgrund neuester Erkenntnisse der Wissenschaft praktiziert man die Umerziehung heute nicht mehr. Die Psychotherapeutin und Forscherin für Linkshändigkeit, Johanna Barbara Sattler, bezeichnet die frühere Umerziehung von Linkshändern als „einen der massivsten Eingriffe in das menschliche Gehirn ohne Blutvergießen“. Ihren Forschungen zufolge könne diese zu den unterschiedlichsten psychischen und kognitiven Einschränkungen führen. Dazu zählt sie etwa:
- Konzentrationsschwierigkeiten (etwa kürzere Aufmerksamkeitsspanne)
- Gedächtnisstörungen
- Leistungsminderung
- schnellere Ermüdbarkeit
- feinmotorische Unsicherheiten
- Links-Rechts-Unsicherheit
- Sprachstörungen (wie Stottern, Stammeln, Wortfindungsstörungen)
- Rechenschwäche (Dyskalkulie)
- Lese-Rechtschreib-Schwäche
Natürlich sind diese Symptome nicht in jedem Fall auf eine Umschulung der Linkshändigkeit zurückführbar, sie können auch andere Ursachen haben. Aber es ist möglich, dass diese Probleme aus der Umschulung resultieren.
Umschulung von Linkshändern führt zu veränderten Abläufen im Gehirn
Heute weiß man, dass die jeweilige Händigkeit mit der Dominanz der linken oder rechten Großhirnhälfte einhergeht und dass man durch eine Umerziehung diese natürlichen Mechanismen durcheinanderbringt, was diverse negative Auswirkungen haben kann. So kommt es durch eine Umschulung von Linkshändern zu einer Überbelastung der nicht dominanten, linken Gehirnhälfte und zu einer Unterforderung der eigentlich dominanten, rechten Gehirnhälfte. Kurz: Die naturgegebene Funktionsweise wird nicht gelebt, die natürlichen Potenziale können sich nicht vollends entfalten.
Veränderte Funktionsweise des Gehirns durch Umschulung führt zu erhöhtem Energieaufwand
Der umgeschulte Linkshänder muss – laut Sattlers Untersuchungen – bei vielen Aufgaben bis zu 30 Prozent mehr Energie aufwenden, um seine volle Leistungsfähigkeit abzurufen, als ein Rechtshänder. Denn er muss gegen die natürliche Funktionsweise seines Gehirns an arbeiten. Dadurch, dass der Linkshänder während der Umschulung bestimmte Abläufe, die eigentlich von der rechten Gehirnhälfte gesteuert werden, in die linke verlagert hat, dass er die nicht-dominante linke Gehirnhälfte überfordert und die eigentlich dominante rechte Hemisphäre unterfordert, kommt es bei vielen umgeschulten Linkshändern zu Funktionsstörungen, die wiederum zu Hemmungen, Blockaden und Verhaltensänderungen führen können.
Mögliche psychosomatische Folgen der Umschulung von Linkshändern
Sattler hat in ihren Untersuchungen auch herausgefunden, dass aus der Umstellung bestimmter Gehirnabläufe bei umgeschulten Linkshändern auch psychosomatische und psychische Beschwerden und Probleme resultieren können. Dazu gehören zum Beispiel:
- Angststörungen
- sozialer Rückzug
- Schüchternheit
- Minderwertigkeitsgefühle
- Trotzigkeit, Überheblichkeit
- Störungen im Persönlichkeitsbild
- Überkompensation durch erhöhten Leistungseinsatz
- Kopfschmerzen
- Schlafstörungen
- Tics (v.a. bei Kindern)
Folgen der Umschulungen lassen sich durch weitere Faktoren abmildern
Gleichzeitig relativiert Sattler aber auch die Folgen der Umschulung auf Rechts. Inwieweit ein Mensch durch die Umschulung „geschädigt“ wird, würde stark von weiteren Faktoren abhängen wie der Förderung im Elternhaus, den individuellen Begabungen und Wesensmerkmalen (beispielsweise der Willensstärke), den allgemeinen Lebensumständen, der schulischen Förderung sowie dem zusätzlichen Vorliegen weiterer, krankheitsbedingter Leistungsbeeinträchtigungen wie einer Teilleistungsstörung, einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder einer Form von Autismus.
Wie sinnvoll ist eine Rückschulung von Linkshändern im Erwachsenenalter?
Durch die Erkenntnisse von Sattler und anderen Forschungskollegen erlangte das Thema Umschulung von ehemaligen Linkshändern große mediale Beachtung. Inzwischen gibt es eine Reihe von Rückschulungsexperten, die nach den Erkenntnissen und Methoden von Sattler arbeiten und ehemaligen Linkshändern die Möglichkeit geben, zur früheren Linkshändigkeit zurückzufinden. Durch eine sachkundige Rückschulung können Umschulungsfolgen in vielen Fällen abgemildert und inm manchen ganz zum Verschwinden gebracht werden.
Rückschulung auf Linkshändigkeit: unterschiedlichste Erfahrungen möglich
Ob eine solche Rückschulung im Erwachsenenalter sinnvoll ist oder nicht, kann nur der Einzelne selbst entscheiden. Untersuchungen von rückgeschulten Linkshändern haben gezeigt, dass bei den Ergebnissen die ganze Palette von Erfahrungen und Emotionen möglich ist. Während die einen von einem ganz neuen Lebensgefühl, von mehr Gelassenheit und Zufriedenheit oder sogar dem Gefühl berichteten, „endlich bei sich angekommen zu sein“, gaben andere nur kurzzeitige, aber nicht dauerhafte Verbesserungen an. Manch ein Rückschüler wiederum hat sogar Verschlechterungen der Probleme festgestellt.
Ideal: Rückschulung auf Links wird zusätzlich von einem Psychologen betreut
Da die Rückschulung auf Linkshändigkeit mit überraschenden psychischen Reaktionen verbunden sein kann, da auch die Abläufe im Gehirn erneut verändert werden, raten Experten dazu, die Rückschulung nicht auf eigene Faust durchzuführen, sondern sich damit an einen erfahrenen und spezialisierten Therapeuten zu wenden.
Gute Gründe für eine Rückschulung auf die linke Hand
Grundsätzlich sollte ein umgeschulter Linkshänder eine Rückschulung nur erwägen, wenn er dies auch wirklich möchte oder aber, wenn es für seinen Beruf von Vorteil ist – etwa dann, wenn er beruflich viel schreiben muss. Natürlich empfiehlt sich eine Rückschulung auch immer dann, wenn die gesundheitlichen oder psychosozialen Probleme im Alltag, die von der Umschulung herrühren könnten, als sehr belastend empfunden werden.
Wann sollte eine Rückschulung nicht durchgeführt werden?
Da eine Rückschulung auf Linkshändigkeit einen erneuten Eingriff in die Funktionsweise des Gehirns darstellt, sollte sie nicht durchgeführt werden, wenn die umgeschulte Person aktuell in einer psychisch labilen Verfassung beziehungsweise in einer schwierigen Lebenslage ist. Um die Rückschulung auf Linkshändigkeit positiv zu erleben, sollte sie einen strukturierten Alltag und momentan keinen außergewöhnlichen Belastungen (wie Trennung vom Partner, Krankheit eines Angehörigen, Aufnahme einer Ausbildung/ eines Studiums oder Jobwechsel, etc.) ausgesetzt sein. Denn: Eine Rückschulung ist oft nicht nur mit Positiverlebnissen verbunden.
Rückschulung auf Linkshändigkeit oft auch mit negativen Gefühlen verbunden
Neben potenziellen Erfolgserlebnissen kann es während einer Rückschulung auf Linkshändigkeit auch zu unangenehmen Begleiterscheinungen wie Albträumen, depressiven Verstimmungen oder anderen negativen Gefühlen kommen. Zudem muss davon ausgegangen werden, dass die Rückschulung ein langwieriger Prozess ist, der bei Erwachsenen im Durchschnitt zwei Jahre dauert. Eine Kostenübernahme sollte bei der zuständigen Krankenkasse erfragt werden. Sie ist in vielen Fällen über ein ergotherapeutisches Rezept möglich.
Rückschulung auf Linkshändigkeit bleibt persönliche, freie Entscheidung
Es ist ratsam, dass der umgeschulte Linkshänder sich im Vorfeld gut überlegt, ob für ihn eine Rückschulung infrage kommt oder nicht. Bei der Entscheidungsfindung hilft ihm vielleicht die Überlegung, ob durch die Rückschulung auf Links eine deutliche Steigerung der eigenen Leistungsfähigkeit oder eine Besserung der (psychischen oder gesundheitlichen) Probleme zu erwarten ist und ob dies den hohen Kraft- und Zeitaufwand im Alltag letztlich Wert ist oder eben nicht.