Das ab 1907 entwickelte Konzept der Montessori Pädagogik rückt die Persönlichkeit und Individualität von Kindern in den Vordergrund der Erziehung. Unter dem Leitsatz „Hilf mir, es selbst zu tun“ sollen Kinder durch spezielle Techniken zur Selbstständigkeit erzogen werden. Dieser unkonventionelle Lehransatz wird nicht nur in Montessori-Einrichtungen verfolgt, sondern bietet auch Eltern zahlreiche Ansätze für eine fruchtbare Erziehung. Wir stellen die Montessori Pädagogik vor und geben dir Tipps, wie du ihre Erkenntnisse in der Erziehung deiner Kinder anwenden kannst.
Das Konzept der Montessori Pädagogik geht auf die 1870 geborene Italienerin Maria Montessori zurück. Aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammend, gelang es ihr als einer der ersten Frauen, ein Medizinstudium inklusive Promotion erfolgreich abzuschließen. Im Anschluss arbeitete Montessori in der psychiatrischen Einrichtung eines Krankenhauses, wo sie geistig unterentwickelte Kinder behandeln sollte. Sie stellte schnell fest, dass viele der anwesenden Kinder keine geistige Beeinträchtigung hatten, sondern bislang lediglich unzureichend gefördert worden waren. In der Folge entwickelte Montessori erste Methoden, um eine Förderung der Kinder zu ermöglichen – der Grundstein für die moderne Montessori Pädagogik war gelegt.
In den folgenden Jahren entwickelte Montessori ihre Methoden kontinuierlich weiter. 1907 nutzte sie schließlich ihr angeeignetes Wissen, um in Rom ein Kinderhaus für Kinder der Unterschicht zu eröffnen. Mit ihrem pädagogischen Ansatz gelang es ihr, den Kindern sehr schnell eine grundlegende Bildung zu vermitteln. Die hier gesammelten praktischen Erfahrungen sorgten für eine weitere Verfeinerung der Montessori Pädagogik, die schon bald weit über Italien hinaus Anhänger fand. In Deutschland wurde das erste auf der Montessori Pädagogik basierende Kinderhaus bereits 1919 gegründet. Heute arbeiten deutschlandweit etwa 225 Grundschulen, über 150 Sekundarschulen und rund 600 Kitas nach dem Grundsatz der Montessori Pädagogik.
Hilf mir, es selbst zu tun. Zeige mir, wie es geht. Tu es nicht für mich. Ich kann und will es allein tun. Hab Geduld meine Wege zu begreifen. Sie sind vielleicht länger, vielleicht brauche ich mehr Zeit, weil ich mehrere Versuche machen will. Mute mir Fehler und Anstrengung zu, denn daraus kann ich lernen.
Im Gegensatz zu konventionellen Erziehungsansätzen stellt die Montessori Pädagogik keinen festen Bildungsplan zur Verfügung, der jedem Kind eingetrichtert werden muss. Stattdessen rückt das Kind als Individuum selbst in den Mittelpunkt der Betrachtung. Gemäß der Vorstellung, dass jedes Kind einzigartig ist und einer entsprechend individuellen Förderung bedarf, werden Kinder in ihrem eigenen Tempo und unter Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse zur Selbstständigkeit erzogen. Um dieses Ziel zu erreichen, stehen Montessori Pädagogen eine ganze Reihe von Methoden zur Verfügung.
Die kosmische Erziehung ist die philosophische bzw. bildungstheoretische Grundlage, die hinter der Montessori Pädagogik steht. Grundlegendes Konzept der kosmischen Erziehung ist die Erkenntnis, dass alle Lebewesen und Phänomene der Natur in beständigen Wechselwirkungen zueinanderstehen. Die Aufgabe des Menschen besteht darin, an der Schöpfung bzw. dem großen „kosmischen Plan“ mitzuwirken. Jedem Menschen kommt im kosmischen Schöpfungsplan eine Aufgabe zu. So gilt es, die Schöpfung zu erhalten und zu vervollkommnen. Aus diesem Anspruch leiten sich humanitäre und ökologische Aufgaben des Menschen ab. Kindern, die gemäß der Montessori Pädagogik erzogen werden, wird
Die Aufgabe der Umgebung ist nicht, das Kind zu formen, sondern ihm zu erlauben, sich zu offenbaren.
Ähnlich wie an die Umgebung werden auch an das im Rahmen der Erziehung verwendete Material hohe Ansprüche gestellt. So sollte dieses
Die Montessori Pädagogik sieht eine Vielzahl an Materialien vor. Diese lassen sich in insgesamt fünf Lernbereiche untergliedern: Sprachmaterial, Sinnesmaterial, Mathematikmaterial, Material für die kosmische Erziehung und Material des täglichen Lebens.
Die innere Empfänglichkeit bestimmt, was aus der Vielfalt der Umwelt jeweils aufgenommen werden soll, und welche Situation für das augenblickliche Entwicklungsstadium die vorteilhaftesten sind. Sie ist es, dass das Kind auf gewisse Dinge achtet und auf andere nicht.
Im Rahmen ihrer Forschung stellte Maria Montessori fest, dass Kinder im Laufe ihres Lebens verschiedene Entwicklungsphasen durchlaufen, in denen sie spezielle Teilbereiche ihrer Umgebung wahrnehmen und für das Erlernen bestimmter Fähigkeiten besonders empfänglich sind. Die Kenntnis dieser Phasen bietet damit eine wichtige Basis für die Erziehung. Wir stellen die sensiblen Phasen der kindlichen Entwicklung vor und geben dir praktische Erziehungstipps an die Hand.
In der ersten Teilphase der kindlichen Entwicklung nimmt das Kleinkind seine Umgebung in erster Linie intuitiv und unreflektiert auf. Die bis zum dritten Lebensjahr gesammelten passiven Eindrücke sind zugleich fundamental für die folgende Entwicklung des Kindes. Insbesondere die Sensibilität für Ordnung, Bewegung und Sprache wird in diesem Abschnitt geschult. Es handelt sich um eine sogenannte formative Phase, da die Entwicklung schubweise erfolgt.
Im Alter von 0 bis 3 Jahren ist eine gerichtete Erziehung von Kindern nicht möglich. Dennoch nehmen Kleinkinder gerade in dieser Zeit sehr viele prägende Eindrücke auf. Eltern sollten sich Kinder daher als „Schwamm“ vorstellen, der unterschiedlichste Eindrücke und Stimulationen aufsaugen kann. Es gilt daher, das Kind in seinen eigenständigen Tätigkeiten nach Kräften zu unterstützen.
In den ersten Lebensjahren entwickeln Kinder ihre Motorik. Je stärker diese gefördert wird, desto geschickter wird das Kind und desto mehr Aufgaben lernt es eigenständig zu bewältigen. Diese Phase eignet sich hervorragend, um Kinder mit einfachen Aufgaben des täglichen Lebens vertraut zu machen. Folgende Aufgaben eignen sich, um die Motorik von Kindern bis zu drei Jahren zu schulen:
Im Alter von 0 bis 3 Jahren entwickeln Kinder nicht nur ihre motorischen Fähigkeiten, sondern zugleich einen Sinn für Ordnung. Es ist daher essenziell, dass verwendete Materialien stets an festen Plätzen verstaut werden. So können Kinder diese nach Gebrauch wieder eigenständig aufräumen. Ein Tipp: Kisten und Schränke können mit Bildern ihres Inhalts versehen werden, um Kindern das Zurechtfinden in ihrer Umgebung zu erleichtern.
Da sich in den ersten Lebensjahren zudem die Sprache von Kindern entwickelt, gilt es viel mit ihnen zu sprechen. Das gemeinsame Einüben von Liedern und Reimen fördert diese Entwicklung.
Mit drei Jahren ist es, als ob das Leben von neuem beginne, denn zu diesem Zeitpunkt offenbart sich voll und klar das Bewusstsein.
Der Zeitraum zwischen 3 und 6 Jahren ist eine enorm wichtige Phase der kindlichen Entwicklung. Das Bewusstsein hat sich nun vollends herausgebildet und ermöglicht es, Kinder zum Schöpfer ihres eigenen Handelns werden zu lassen. In keiner anderen Phase des Lebens sind Kinder in der Lage, so viel und so gründlich zu lernen. Umso wichtiger ist es, dass Kinder jetzt in ihrer Entwicklung unterstützt werden. Die Montessori Pädagogik sieht für diese Entwicklungsphase daher eine ganze Reihe von Materialien vor. Insbesondere Sinnesmaterialien unterschiedlicher Fasson kommt nun eine große Bedeutung zu.
Der natürliche Bewegungsdrang von Kindern und die Neigung, Dinge sinnlich zu erfahren, sollten von Eltern genutzt werden. Aufgaben und Materialien, die das Kind nun in seiner Entwicklung fördern, sind
Im Zusammenhang mit der Schulung der sprachlichen Entwicklung empfiehlt es sich ebenfalls, unterschiedliche Sinne anzusprechen. Hierzu eignen sich
Um die emotionale Kompetenz junger Kinder zu schulen, bietet sich das Anfertigen von „Emotionskarten“ an. Diese können problemlos selbst hergestellt werden. So finden sich im Internet Kindergesichter mit sämtlichen Basisemotionen. Einmal ausgedruckt und auf ein Kärtchen geklebt, können Kinder so lernen, ihre Emotionen klar zu unterscheiden und richtig auszudrücken.
Die Kindheit zeichnet sich durch einen linearen Lernprozess aus. Es handelt sich um eine stabile Phase. In dieser sind Kinder besonders wissbegierig und lernen, abstrakt zu denken. Zugleich beginnen sie sich von ihren Eltern zu distanzieren, Gruppen mit Gleichaltrigen zu bilden und ein moralisches Bewusstsein zu entwickeln.
Zwar sind Kinder auch in der zweiten Phase ihrer Entwicklung auf die Ermutigung durch ihre Eltern angewiesen. Dennoch gilt es für Eltern, sich nun im „Loslassen“ zu üben. Kindern muss ausreichend Raum gewährt werden, um soziale Kontakte mit Gleichaltrigen knüpfen zu können. Die Gruppenbildung dient als erste Einübung gesellschaftlicher Strukturen.
Zugleich sollte Kindern so viel wie möglich angeboten werden, um ihren Wissensdurst zu stillen und eine optimale Entwicklung zu fördern. Eltern können
Da Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren ihr moralisches Bewusstsein herausbilden, ist es wichtig, dass sie nun lernen, Verantwortung für sich und ihre Umwelt zu übernehmen. Neben festen Aufgaben im Haushalt kann auch die Betreuung eines Haustieres nützlich für die Entwicklung in dieser Phase sein.
Die dritte Phase der kindlichen Entwicklung zeichnet sich durch eine Sensibilität für politische Verantwortung, wissenschaftliche Erkenntnisse, Gerechtigkeit und soziale sowie gesellschaftliche Prozesse aus. Es handelt sich wieder um eine labile Phase, die durch schubweise Entwicklungsschritte gekennzeichnet ist.
Die Pubertät ist für Heranwachsende wie für Eltern eine gleichermaßen schwierige Phase. Dem Bedürfnis nach Unterstützung und Schutz durch das Elternhaus steht das zunehmende Autonomiebestreben der Jugendlichen entgegen. Dennoch stehen Eltern in dieser Phase zahlreiche Wege offen, um ihre Kinder zu unterstützen:
Mit dem Ende der Pubertät treten Jugendliche wieder in eine stabile Entwicklungsphase ein. Sie integrieren die Erkenntnisse aus ihrer Kindheit und reifen nun zu Erwachsenen heran, die dazu in der Lage sind, eigenständig Entscheidungen zu treffen und sich für die Konsequenzen ihres Handelns verantwortlich zu fühlen.
Kinder sollten in den unterschiedlichen sensiblen Phasen ihrer Entwicklung gezielt unterstützt werden. Zugleich gibt es eine Reihe von grundlegenden Erziehungsleitsätzen, die Eltern im Rahmen einer montessorigerechten Erziehung beachten sollten. Im Folgenden zeigen wir dir, wie du die Montessori Pädagogik im Alltag praktisch anwenden kannst.
Eltern, die ihre Kinder nach den Grundsätzen der Montessori Pädagogik erziehen möchten, sollten folgende Erziehungsleitsätze und Strategien beachten:
So schwer es auch fallen mag: In die Tätigkeiten von Kindern sollten Eltern so wenig wie möglich eingreifen. Ein Beispiel: Dein Kind versucht mit Bauklötzen eine Burg zu bauen, sie fällt beim Versuch jedoch mehrmals in sich zusammen. Ein zu frühes Eingreifen könnte in diesem Fall das Erfolgserlebnis des Kindes schmälern. Merke:
Erst wenn es beim Spielen zu einer ernsthaften Gefahr für das Kind kommen könnte, sollten Eltern eingreifen.
Freiheit ist für Kinder ein hohes Gut. Grenzen sollten daher prinzipiell sehr vorsichtig gesetzt werden. Das bedeutet aber nicht, dass Eltern klein beigeben müssen, wenn ihre Kinder sich nicht an Absprachen halten oder ihnen auf der Nase herumtanzen. Vielmehr gilt es Kindern ruhig zu erklären, warum man selbst auf einem bestimmten Standpunkt beharrt. Keinesfalls sollte man sich von Erpressungsversuchen wie „Mama, wenn ich das bekomme, habe ich dich auch ganz besonders lieb…“ beeindrucken lassen.
Ein besonders heikles Thema sind Bestrafungen bei Grenzüberschreitungen. Dabei gilt prinzipiell: Bestrafungen müssen dem Fehlverhalten angemessen sein und sollten eher als Konsequenz, denn als Bestrafung vermittelt werden. Hat ein Kind beim wilden Spielen etwa eine Lampe zerbrochen, ist es sinnvoll, dass es einen Teil des gesparten Taschengelds für die Anschaffung einer neuen Lampe aufwenden muss.
Nach Möglichkeit sollten Kinder dazu angehalten werden, die Fehlerhaftigkeit ihres Tuns selbst einzusehen und Konflikte gegebenenfalls eigenständig zu lösen. Begeht ein Kind einen Fehler, sollte ihm dieser klar und sachlich – gegebenenfalls mit der richtigen Lösung – dargelegt werden. Vorwürfe sind dagegen oftmals eher kontraproduktiv.
Ein Beispiel: Beim Saubermachen putzt das Kind die Pfanne mit einem Stahlschwamm und ruiniert damit die Teflon-Schicht.
Eine unangemessene Reaktion des Erziehungsberichtigen: „Was hast du denn jetzt gemacht? So macht man doch keine Pfannen sauber! Die Pfanne hast du jetzt endgültig ruiniert! Geh am besten Spielen, Küchenarbeit ist nichts für dich!“
Eine angemessene Reaktion des Erziehungsberechtigten: „Pfannen sind sehr sensibel. Von diesem rauen Schwamm geht die Pfanne kaputt. Mit diesem weichen Schwamm hier kannst du die Pfanne besser putzen.“
Auch im Streit mit anderen Kindern – etwa mit Geschwistern – ist es oftmals hilfreich, wenn Eltern nicht sofort als Schlichter und Entscheider auftreten, sondern Kindern Zeit einräumen, ihre Konflikte selbst zu lösen. Im Folgenden einige Tipps für das elterliche Verhalten bei Streitigkeiten zwischen ihren Kindern:
Die frühzeitige Vermittlung einer guten Streit- und Diskussionskultur ist die ideale Vorbereitung auf das Erwachsenenleben.
Eigentlich sollte es mit das Einfachste auf der Welt sein, seinen Kindern zuzuhören. Im stressigen Erziehungsalltag ist es jedoch gar nicht so leicht, seinen Kindern wirklich angemessen Gehör zu schenken. Umso wichtiger ist es, sich immer wieder typische Fehler zu vergegenwärtigen. Insbesondere die folgenden „Don’ts“ gilt es dabei zu beachten.
Egal in welcher sensiblen Phase sich Kinder gerade befinden – es gilt stets, diese nach ihren Möglichkeiten in die Verantwortung zu nehmen. Das heißt:
Oftmals neigen wir dazu, unseren Kindern Aufgaben „überzuerklären“. Gerade bei jüngeren Kindern ist dieses Vorgehen allerdings überaus kontraproduktiv. Je mehr Eindrücke auf junge Kinder niederprasseln, desto schwieriger fällt es ihnen sich auf diese zu konzentrieren. Eine Grundregel der Montessori Pädagogik lautet daher: „Beschränke dich auf das Wesentliche!“ Oftmals genügt es beispielsweise, Kindern gewisse Dinge zu zeigen, statt sie parallel dazu verbal zu erklären. So ist es effizienter, bei Anwesenheit des Kindes einen Apfel wiederholt in Zeitlupentempo zu schälen, statt zu versuchen, dem Kind die optimale Grifftechnik und Messerhaltung zu erläutern.
Eine kindgerechte Umgebung ist der Schlüssel für die Erziehung nach Montessori-Standards. Eine große Hürde ist dabei in der Regel die Höhe des vorhandenen Mobiliars. Obwohl Kinder bereits viele Aufgaben – vom Getränke einschenken bis hin zum Saubermachen – selbst erledigen könnten, erreichen sie viele Gegenstände schlicht nicht. Geschickt aufgestellte Hocker und Lerntürme schaffen hier Abhilfe. Um jungen Kindern die Orientierung in der Wohnung zu erleichtern, empfiehlt es sich zudem Kisten und Co. mit Bildern ihres Inhalts zu versehen. Besen, Handtücher, Waschlappen etc. sollten darüber hinaus stets in Reichweite der Kinder aufbewahrt werden.
Tipp der Redaktion: Um Kinder in den sensiblen Phasen auch in ihrer seelischen Entwicklung zu fördern, hat sich die Anwendung von Bachblüten als besonders hilfreich erwiesen, da auch die Bachblütentherapie darauf abzielt, das wahre Selbst eines Menschen ans Licht zu bringen, indem Gemütsstörungen auf sanfte Weise korrigiert werden. Einen Überblick über die Einsatzmöglichkeiten findest du auf der Seite: Bachblüten für Kinder.