Soziale Angststörung
Angststörungen sind weit verbreitet. Aber da sie überwiegend im Verborgenen stattfinden, bleiben sie meist unbemerkt. Dabei ist gerade die soziale Phobie, also die Angst, sich durch unangemessenes Verhalten vor anderen Menschen zu blamieren, die häufigste Angststörung überhaupt. Damit sind großes Leid und unangenehme Symptome verbunden, die das Leben der Betroffenen im Alltag meist stark einschränken. Was eine soziale Phobie genau ist, wie sie entsteht und welche Therapien in dem Fall geeignet sind, erfahren Sie im folgenden Artikel. Außerdem stellen wir Ihnen Tipps zur Selbsthilfe vor.
Was ist eine soziale Phobie?
Die soziale Phobie oder soziale Angst zählt zu den Angststörungen, die neben Depressionen zu den häufigsten psychischen Krankheiten zählen. Anders als eine generalisierte Angststörung ist die Sozialphobie situationsabhängig. Sie kann sich auf eine Vielzahl von sozialen Situationen beziehen. Zum Beispiel kann sie sich in folgenden Situationen bemerkbar machen:
- beim Telefonieren
- wenn es klingelt, an die Tür gehen
- wenn man anderen vorgestellt wird
- wenn man mit Menschen im Alltag redet (Frisörin, Kassiererin im Supermarkt, Arzthelferin, etc.)
- beim Einkaufen gehen und etwas umtauschen
- wenn man vor anderen Menschen etwas isst oder trinkt (Angst, dabei zu zittern z. B.)
- bei sozialen Ereignissen (etwa einer Feier)
- wenn man Gastgeber ist
- bei einem Rendezvous
- wenn man vor einer Gruppe spricht (Vortrag halten)
- wenn man vor anderen die eigene Meinung ausdrückt oder über sich selbst spricht
- beim Autofahren (Angst vor negativer Reaktion anderer)
- in einer Prüfungssituation
Das Kernproblem der sozialen Phobie: Was löst eine Panikattacke aus?
Das Problem, weshalb es zu den typischen Panikattacken kommt, besteht darin, dass die Betroffenen fürchten, sich in irgendeiner Form zu blamieren, einen überheblichen oder langweiligen Eindruck auf andere zu machen. Aber auch etwas Falsches zu sagen, sich unpassend oder ungeschickt zu verhalten, kann die Angstgefühle auslösen. Viele Menschen mit sozialer Phobie sind besorgt, dass andere ihre körperlichen Angstreaktionen wie Schwitzen, Erröten oder Zittern bemerken und sie daher als unfähig und überängstlich abstempeln.
Im Grunde handelt es sich bei der sozialen Phobie um eine Bewertungsangst, also der Angst davor, von den anderen Mitgliedern einer Gruppe abgewertet und folglich ausgeschlossen zu werden. Die Angst bezieht sich in der Regel auf fremde Menschen, auf Angehörige des anderen Geschlechts und auf Autoritätspersonen.
Die natürliche Funktion von Angst und die körperliche Angstreaktion
Angst ist eine völlig natürliche körperliche Reaktion auf eine (lebens-)bedrohliche Situation. Dieses Gefühl motiviert uns seit jeher dazu, in brenzligen Situationen die Flucht zu ergreifen oder einen Gegner anzugreifen, um unser Überleben zu sichern.
Bei sozialer Phobie laufen gleiche Reaktionen ab wie in realer Angstsituation
In einer bedrohlichen Situation – egal ob gefühlt oder real existierend – läuft unser vegetatives Nervensystem zur Höchstform auf. Es sorgt unter anderem dafür, dass:
- der Blutdruck steigt
- die Herzfrequenz sich erhöht
- die Atemfrequenz zunimmt
- die Pupillen sich weiten
- eine erhöhte Aufmerksamkeit besteht
- die Empfindlichkeit des Seh- und Hörnervs zunimmt
- die Muskulatur besser durchblutet wird
- unser Körper Hormone wie Cortisol und Adrenalin ausschüttet, die uns wach und körperlich bereit zur Flucht oder zum Angriff machen
- für den Moment weniger wichtige Prozesse wie die Verdauung oder die Immunabwehr gedrosselt werden, sodass die körperliche Leistungsfähigkeit zunehmen kann
Der Angstkreislauf bei der sozialen Phobie
Bei Angststörungen generell und bei einer sozialen Phobie im Besonderen kommt es in einer angstbeladenen Situation zu einem Angstkreislauf. Er beginnt beispielsweise damit, dass ein Betroffener einen Gedanken von „Gefahr“ hat, der wiederum Angst zur Folge hat. Es kommt daraufhin zu den typischen körperlichen Angstreaktionen wie Herzrasen, Luftnot, Zittern oder Schwitzen (Panikattacke).
Die Wahrnehmung dieser körperlichen Reaktionen verstärkt wiederum die Angst, weil sie unangenehm sind und weil viele Betroffene zudem Angst davor haben, dass diese Symptome von anderen bemerkt werden und sie dadurch abgewertet werden (Bewertungsangst). Daher unternehmen sie Anstrengungen, die Reaktionen zu kontrollieren und zu verbergen, was eine enorme Kraftanstrengung darstellt, da sie nicht mit der eigentlichen Aufgabe, sondern mit den Angstgedanken und –gefühlen beschäftigt sind.
Soziale Phobie führt oft zu Angst vor der Angst
Es entsteht ein Teufelskreis aus Angst, mit dem Betroffene in der entsprechenden Situation intensiv beschäftigt sind, sodass sie sich kaum auf ihre eigentliche Aufgabe – zum Beispiel einen Vortrag halten – konzentrieren können. Sie verlieren den roten Faden in einer Rede oder erleiden einen Blackout.
Viele Menschen entwickeln letztlich eine Angst vor der Angst, in deren Folge sie sich – wenn möglich – immer weiter aus den für sie schwierigen sozialen Situationen zurückziehen. Ständig kreisen ihre Gedanken um die eigene Angst – auch wenn sie gerade nicht in einer angsteinflößenden Situation sind – wodurch sie einen noch höheren Stellenwert im Leben der Betroffenen einnimmt. Schon Wochen vorher denken sie über die belastende Situation nach und entwickeln Angst vor der Situation und vor den damit verbundenen Angstreaktionen.
Schüchternheit versus soziale Phobie
Schüchternheit ist im Gegensatz zur sozialen Phobie ein menschlicher Wesenszug, der angeboren ist. Viele Menschen sind in bestimmten Situationen schüchtern, in denen man der Bewertung durch andere Menschen ausgesetzt ist und zeigen dann diese „Unsicherheit im sozialen Miteinander“. Der Unterschied zur sozialen Angst liegt darin, dass die Intensität eine andere ist. Bei der Schüchternheit steht das Maß an Aufregung, Angst und Anspannung in einem angemessenen Verhältnis zur Situation. Dem Leid der Betroffenen wird es auch nicht gerecht, die Krankheit lediglich als extreme Schüchternheit abzutun.
Soziale Phobie: übersteigerte Angstreaktion ist Ausdruck psychischer Erkrankung
Bei der sozialen Phobie sind die Reaktionen extrem und stehen in keinem angemessenen Verhältnis zur Situation mehr. Lampenfieder und Nervosität gehören zum Menschsein dazu und können in bestimmten Situationen, wie einem Bewerbungsgespräch, jeden treffen. Sie sind nicht behandlungsbedürftig und werden auch nicht als problematisch erlebt.
Eine soziale Phobie hingegen ist eine psychische Erkrankung, die mit ständigem Grübeln über die Angst und die beängstigenden Situationen einhergeht. Da sie mit einem erheblichen Leidensdruck verbunden ist, muss sie im Gegensatz zur Schüchternheit oder normalen Nervosität vor Vorträgen ärztlich behandelt werden.
Die Symptome der sozialen Phobie
Die Befürchtungen und Gedanken der Betroffenen sind so intensiv, dass sie psychisch belastende Gefühle von Angst und Panik auslösen, die von bestimmten Körperreaktionen begleitet werden. Psychosomatisch äußert sich eine soziale Phobie häufig durch folgende Symptome:
- Herzklopfen, Herzstolpern oder Herzrasen
- Kurzatmigkeit oder Atemnot
- Zittern (zum Beispiel der Hände)
- Engegefühl in der Brust oder im Bauch
- Erröten
- Übelkeit und/ oder Angst vor Erbrechen
- Schwindel, Benommenheit, Unwirklichkeitsgefühle
- Schwächegefühl
- erhöhter Harndrang
- Schwitzen
- Mundtrockenheit
Folgen der sozialen Phobie
Die soziale Phobie führt in der Regel zu teils erheblichen Einschränkungen und Beeinträchtigungen im Leben betroffener Menschen. So meiden viele von ihnen die angsteinflößende/n Situation/en nach Möglichkeit ganz, was nicht selten zum sozialen Rückzug und zur Isolation führt. Viele Betroffene ziehen sich in die virtuelle Welt am Computer zurück, wo sie ihrer Angst zwar aus dem Weg gehen können, sich aber darin verlieren. Menschen mit einer sozialen Phobie haben es schwer, Freunde oder einen Partner zu finden und sind daher meist sehr einsam.
Enormer Leidensdruck bei Betroffenen von sozialer Phobie
Der Leidensdruck vieler Menschen mit sozialer Phobie ist immens, da die Angst nicht mit dem Willen steuerbar ist und die Situationen nicht immer vermeidbar sind. Die meist als intensiv wahrgenommene Angst besteht anhaltend, die ganze Situation hindurch – meist sogar auch schon lange davor und noch lange danach – und verwickelt Betroffene in eine starke gedankliche Beschäftigung mit der eigenen Angst.
Das Aushalten und Durchstehen der angsteinflößenden Situation wird als äußerst belastend und anstrengend erlebt. Gleichzeitig erkennen Betroffene, dass sie in der Situation völlig übertrieben reagieren und ihre Angst irrational ist. Sie sehen sich selbst als verrückt an. Dennoch können sie diese Gefühle und Gedanken nicht abstellen. Viele Betroffene verlieren durch die soziale Phobie den Glauben an sich selbst und ihre Lebensfreude.
Menschen mit sozialer Phobie entfalten im Job oft nicht ihr volles Potenzial
Auch im Job bleiben viele Menschen mit sozialer Angst hinter ihrem eigentlichen Potenzial zurück, steigen aus Angst vor Übernahme neuer Aufgaben mit mehr Personalverantwortung (die oft mit einem erhöhten Kontakt zu anderen Menschen einhergehen) nicht auf und scheuen wichtige Auseinandersetzungen zwischen Kollegen. Stattdessen entscheiden sie sich nicht selten dafür, es allen anderen recht zu machen.
Unbehandelt kann eine soziale Phobie zu Depression oder gar Suizid führen
Nicht wenige Menschen mit sozialer Phobie entwickeln, wenn sie nicht behandelt werden, weitere Angststörungen. Viele sind von Depression betroffen. Auch unter den Suizidopfern befinden sich viele Menschen, die zu Lebzeiten unter einer sozialen Phobie litten.
In welchem Alter entsteht eine soziale Phobie
Bei den meisten Menschen, die an einer sozialen Phobie leiden, hat sich die Angststörung bereits im Kindes- oder Teenageralter entwickelt. Es ist aber auch möglich, dass sich eine soziale Phobie erst später, also im Erwachsenenalter, herausbildet.
Wer ist besonders von einer sozialen Phobie/ Angststörung betroffen?
Ein erhöhtes Auftreten von Angststörungen, von denen die soziale Phobie eine Form darstellt, gibt es unter:
- Frauen
- jungen und alten Menschen (bis 20 oder ab 65 Jahre)
- den 36-45-Jährigen
- Geschiedenen oder getrennt Lebenden
- Verwitweten
- Menschen, die sich in einer Ausbildung befinden
- arbeitslosen Menschen
- Menschen ohne Schulabschluss
- Menschen mit niedrigem oder hohem Einkommen
Die Verbreitung der sozialen Phobie
Die soziale Phobie gehört zu den am häufigsten auftretenden psychischen Leiden und ist die häufigste Angststörung überhaupt. Rund sieben bis zehn Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen, wobei dieser Anteil in allen Ländern und Kulturen ähnlich groß ist. Frauen leiden laut Studien doppelt so häufig an dieser Angststörung wie Männer. Experten beobachten hierzulande eine stete Zunahme des Phänomens seit den 1980er Jahren.
Die Ursachen der sozialen Phobie
Laut Studien gibt es nicht den einen Grund, der zum Entstehen einer sozialen Phobie führt. Vielmehr ist ein komplexes Zusammenspiel von biologischen, sozialen und psychologischen Faktoren für die Herausbildung einer sozialen Phobie verantwortlich. Wenn mehrere Risikofaktoren zusammenkommen, kann sie sich ausbilden. Das Risiko ist für Menschen erhöht:
- wenn sie in Elternhäusern aufwuchsen, in denen soziale Kontakte rar waren (familiäres Umfeld)
- wenn die Meinung anderer Menschen sehr wichtig für die Eltern war (Erziehung)
- wenn auch schon die Eltern eine soziale Phobie hatten (genetische Komponente)
- bei zu strenger oder überbehüteter Erziehung
- wenn sie in der Kindheit ein Trauma, eine problematische Familiensituation (wie eine Trennung der Eltern oder psychische Erkrankung eines Elternteils) oder eine Gewalterfahrung (wie Missbrauch) erlebten
- wenn Scham als Erziehungsmethode eingesetzt wurde („Schäm dich für…“)
- wenn sie von anderen ausgeschlossen und geärgert wurden (soziales Umfeld)
- bei Schüchternheit als Charakterzug
- bei sehr gehemmten Menschen (wenn auf Unbekanntes/ Neues mit großer Vorsicht/ Rückzug reagiert wird)
- wenn sie ausgeprägte Hormonschwankungen haben (wie Frauen, die aufgrund ihrer Biologie eher dazu neigen)
- bei anhaltendem, als negativ empfundenen Stress (besonders, wenn er mit empfundenem Kontrollverlust einhergeht)
Zusammenhang zwischen sozialer Phobie, Ängstlichkeit, Hemmung und Stress
Diese Risikofaktoren sind wirklich als Risikofaktoren zu betrachten. So stellt das elterliche Erziehungsverhalten nicht die eigentliche Ursache für das Auftreten einer sozialen Phobie dar, sondern trägt lediglich dazu bei, dass sie entsteht.
Auch die Rolle der Gene sollte nicht überbewertet werden. Die soziale Phobie an sich wird nicht vererbt, nur die Veranlagung zum Ängstlichsein, zur Schüchternheit und Gehemmtheit kann an die folgende Generation weitergegeben werden. Dennoch tritt die soziale Phobie in Familien, in denen ein Familienmitglied betroffen ist, tatsächlich gehäuft auf.
Gefühl von Kontrollverlust über das eigene Leben kann soziale Phobie begünstigen
Forscher sehen auch einen Zusammenhang zwischen dem vermehrten Auftreten einer sozialen Phobie und unserem hektischer und stressiger gewordenen Lebensstil. Als negativ empfundener, anhaltender Stress, der aus den hohen Anforderungen in Job und Familie sowie dem damit verbundenen Leistungs- und Zeitdruck resultiert, kann ebenfalls vermehrt zu sozialen Ängsten führen. Oftmals berichten Betroffene, dass sie Stress vor allem dann als belastend empfinden, wenn sie das Gefühl des Kontrollverlusts haben, wenn sie etwa wahrnehmen, dass sie sich im eigenen Leben fremdbestimmt fühlen.
Warum sind Frauen offenbar anfälliger für eine soziale Phobie als Männer?
Experten wie Prof. Andreas Ströhle, Leiter der Spezialambulanz für Angsterkrankungen der Berliner Charité, sehen die Ursache dafür, dass Frauen häufiger an sozialer Phobie zu leiden scheinen als Männer in den hormonellen Schwankungen, die bei Frauen stärker ausgeprägt sind. Im Verlauf des Zyklus‘ der Frau wird das Hormon Progesteron mal mehr, mal weniger produziert. Dieses Hormon wird zur Herstellung von neuroaktiven Steroiden benötigt, die im Körper angstlösend wirken. Diese hormonellen, aber ganz natürlichen Schwankungen, können Angststörungen mit begünstigen.
Ströhle sieht aber auch das gesellschaftliche Rollenbild vom Mann als eine Ursache dafür, dass mehr Frauen scheinbar häufiger an einer sozialen Phobie leiden. Männer dürften ihre Ängste nicht so zeigen wie Frauen, weil sie dann als verweichlicht gelten. Daher würden sie nicht so schnell zum Arzt gehen wie Frauen, sondern erst, wenn eine schwerwiegendere Form der Angststörung auftritt. Frauen hingegen haben keine Scheu davor, auch schon bei einer leichteren Form von sozialer Phobie ärztlichen Rat einzuholen. Dies könne das Ergebnis verzerren.
Fachliche Theorien zur Entstehung von sozialer Angst
Die Theorie des sozialen Lernens als lang vermutete Ursache für die Entstehung der sozialen Phobie
Nach dieser Theorie entwickelt sich eine soziale Phobie aufgrund eines Mangels an sozialen Fähigkeiten. Betroffene haben diese Kompetenzen wie Einfühlungsvermögen, Kritikfähigkeit oder Selbstvertrauen nicht von Vorbildern erlernen können, da es vielleicht keine gab. Demzufolge gehen Betroffene davon aus, dass sie in der jeweiligen Situation versagen werden und reagieren mit Panikattacken. Inzwischen konnte man aber durch Studien beweisen, dass auch Menschen, die die notwendigen sozialen Fertigkeiten nicht von Vorbildern erwerben konnten über diese verfügen, dass sie durch die Angst lediglich blockiert sind und sie dem Betroffenen daher nicht zur Verfügung stehen.
Psychodynamische Erklärungsansätze zur Entstehung einer sozialen Phobie
Psychodynamisch arbeitende Psychotherapeuten sehen die Ursache für die soziale Phobie in Beziehungskonflikten der frühen Kindheit. Laut Psychologen dieser Fachrichtung gab es beim Betroffenen in der Kindheit beispielsweise einen Konflikt, der sich zwischen dem Selbstständigkeitsbestreben des Kindes und der Bestrafung dieses Verhaltens durch die Mutter mit Liebesentzug entwickelt hat. Das Kind hat gelernt, dass der Wunsch nach Unabhängigkeit mit einer Angst vor negativen Reaktionen durch andere Menschen verbunden ist.
Traditionelle verhaltenstherapeutische Erklärungsansätze zur Entstehung einer sozialen Phobie
Beim verhaltenstherapeutischen Ansatz geht man davon aus, dass jedes Verhalten erlernt ist. Wer beispielsweise als Kind häufig verspottet wurde, etwa durch einen Lehrer vor der Klasse, traut sich auch als Erwachsener nicht mehr zu, vor einer Gruppe zu sprechen. Der Mensch hat gelernt, dass er in einer solchen Situation versagt und flüchtet – soweit möglich – vor der Situation oder steht sie mit nur unter großer sozialer Angst durch.
Kognitiver verhaltenstherapeutischer Ansatz zur Erklärung einer sozialen Phobie
Psychologen dieser Fachrichtung sehen die Ursache für das Fortbestehen von Angststörungen, wie der sozialen Phobie, darin, dass bestimmte Gedanken und Interpretationen von der Umwelt unterhalten werden, die zu den besonderen Angstgefühlen und Verhaltensweisen führen. Diese negativen, störenden Gedanken können mit bestimmten Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie überwunden werden.
Neurobiologische Ansätze zur Erklärung von sozialer Phobie
Bei diesem Ansatz geht man davon aus, dass bei Menschen mit sozialer Phobie Veränderungen in bestimmten Gehirnregionen sowie Schwankungen im Haushalt von Gehirnbotenstoffen vorliegen, die zur Entstehung und Aufrechterhaltung der Angststörung beitragen. So ist bei Menschen mit einer Angststörung beispielsweise der Serotonin-Spiegel zu niedrig und kann durch entsprechende Medikamente wieder harmonisiert werden. Aber auch diese Ungleichgewichte in den Hirnbotenstoffen sind nicht als alleinige Ursache für eine soziale Phobie anzusehen.
Diagnose einer sozialen Phobie
Um herauszufinden, ob hinter den Symptomen eine soziale Phobie steckt, arbeiten Ärzte und Psychologen mit der „Internationalen Klassifikation psychischer Störungen“ nach den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation. Mittels psychologischer Testverfahren sowie einer Befragung zur Symptomatik und dazu, in welchen Situationen die Symptome auftreten, können Fachleute die soziale Phobie diagnostizieren und von anderen Erkrankungen, etwa einer Depression abgrenzen.
Daneben stehen die standardmäßige körperliche Untersuchung, inklusive einer Laboruntersuchung und eines EKG‘s (Elektrokardiogramm) zum Ausschluss einer organischen Erkrankung wie einer Schilddrüsen- oder Herz-Kreislauf-Erkrankung im Zentrum der Diagnostik einer sozialen Phobie.
Soziale Phobie: Therapie, Behandlung, Selbsthilfe
Was tun bei sozialer Angst? Die Behandlung einer sozialen Phobie zielt darauf ab, dass sie ganz überwunden wird oder dass Betroffene lernen, souveräner damit umgehen zu können. Um eine soziale Angst oder Phobie zu behandeln, gibt es verschiedene Möglichkeiten. In der Praxis und in Studien haben sich folgende Verfahren bewährt:
- die kognitive Verhaltenstherapie
- die medikamentöse Behandlung
- das Aufsuchen einer Selbsthilfegruppe
- ergänzende Maßnahmen (Sport, gesunder Lebensstil, gesunde Ernährung, Stressbewältigung)
Der effektivste Therapieansatz bei sozialer Angst: die kognitive Verhaltenstherapie
Als erfolgreichste Therapie im Rahmen der Behandlung einer sozialen Phobie gilt die kognitive Verhaltenstherapie. Mit dieser Methode konnten die meisten Probanden einer Studie die Angststörung entweder ganz überwinden oder die Symptome auf ein erträgliches Maß reduzieren.
Besonders effektiv bei sozialer Phobie: die Konfrontationstherapie
Im Mittelpunkt dieser Therapie steht das Gespräch zwischen Therapeut und dem Betroffenen. Es gilt herauszufinden, was der sozialen Phobie zugrunde liegt, welche problematischen Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen bei dem Betroffenen in einer Angstsituation bestehen. Unter sachkundiger Anleitung setzen sich der Betroffene aktiv mit seinen Ängsten auseinander, eine Voraussetzung dafür, Ängste zu überwinden. Er lernt, sich seiner Angst zu stellen, indem er mit einer angstbesetzten Situation konfrontiert wird (Konfrontationstherapie). Dabei sammelt er neue, positive Erfahrungen, die ihm zeigt, dass er in der Lage ist, diese erfolgreich zu meistern.
Verhaltensexperimente und Kompetenztraining zur Überwindung der sozialen Angst
Es werden im Rahmen der kognitiven Verhaltenstherapie Verhaltensexperimente durchgeführt, wobei Betroffene mit sozialer Angst erleben, dass ihre Befürchtungen nicht eintreten. Beispielsweise kann eine Videoaufnahme eines Vortrags dem Menschen mit Präsentationsangst zeigen, dass die Stimme ganz normal klingt und dass an der Vortragsweise nichts beschämend ist. Auch das soziale Kompetenztraining zur Steigerung der eigenen Kritikfähigkeit und des Selbstvertrauens ist ein wichtiger Therapiebaustein der Verhaltenstherapie.
Eine kognitive Verhaltenstherapie zur Behandlung einer sozialen Phobie dauert im Schnitt 25 Sitzungen, in einigen Fällen länger. Die Kosten dafür werden von den Krankenkassen übernommen.
Die medikamentöse Therapie zur Behandlung von sozialer Phobie
Neben einer verhaltenstherapeutischen Behandlung können therapiebegleitend auch Medikamente zur Regulierung des Botenstoffhaushalts im Gehirn zum Einsatz kommen, wodurch die soziale Angst abgemildert werden kann. Über die Dauer der Einnahme entscheidet der behandelnde Arzt. Dabei können folgende Wirkstoffe zum Einsatz kommen:
- selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) wie Paroxetin, Fluvoxamin oder Sertralinder
- Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI) wie Venlafaxin
- Monoamioxidase-Hemmer wie Moclobemid (wenn SSRI oder SNRI nicht wirken)
Unter bestimmten Umständen können vorübergehend auch Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine verordnet werden. Dann ist es für Betroffene leichter, sich in eine problematische Situation zu begeben. Generell ist es sinnvoll, angstlösende Medikamente nur für eine gewisse Zeit zu verwenden, da sie nur die Symptome und nicht die Ursache bekämpfen.
Eine Selbsthilfegruppe kann bei sozialer Phobie Unterstützung bieten
Selbsthilfegruppen bieten Menschen mit einer sozialen Phobie die Gelegenheit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Dies ist erfahrungsgemäß eine große Hilfe auf dem Weg zur Überwindung einer Angststörung. Auf der Homepage des Bundesverbands der Selbsthilfe Soziale Phobie (VSSP) unter http://www.vssp.de/ können Betroffene oder deren Angehörige eine Selbsthilfegruppe in ihrer Nähe finden.
Begleitende Maßnahmen bei sozialer Phobie
Neben der medikamentösen Therapie und der Verhaltenstherapie gibt es weitere Maßnahmen, die dabei helfen können, die soziale Phobie zu überwinden beziehungsweise abzumildern. Dazu gehören:
- achtsamkeitsbasierte Therapieverfahren wie MBSR
- Entspannungsverfahren
- Sport
- eine gesunde Ernährung
- ein gesunder Lebensstil mit ausreichend Schlaf und reduziertem Stress
Mit Achtsamkeitstraining soziale Angst überwinden: Mindfulness-Based Stress Reduction
Mittlerweile werden bei Angststörungen in Kliniken auch häufig sogenannte Achtsamkeitstrainings zur bewussten Stressreduktion eingesetzt. Dazu zählt etwa die sogenannte Mindfulness-Based Stress Reduction-Methode (kurz: MBSR), bei der Menschen mit sozialer Angst in einer Gruppe lernen, eine achtsame, entspannte Grundhaltung anzunehmen.
Darin erfahren sie, eigene Gedanken, körperliche Empfindungen und Gefühle wahrzunehmen, ohne sie in irgendeiner Form zu bewerten. Zudem üben sie sich mithilfe verschiedener Meditationsformen und fernöstlicher Körperübungen wie dem Yoga darin, ihren Geist zur Ruhe zu bringen. Ziel ist es, die Achtsamkeit und die körperliche sowie geistige Entspannung in den Alltag zu übernehmen, wodurch Ängste, wie die soziale Phobie, nachweislich und vor allem auch nachhaltig abgebaut werden können.
Mehr über die achtsamkeitsbasierte Stressreduktion lesen Sie in unserem Beitrag: MBSR: Stressbewältigung durch Achtsamkeit
Entspannungsverfahren, um soziale Phobie zu lindern
Generell eignen sich Entspannungsverfahren wie das autogene Training, die Muskelentspannung nach Jacobson oder auch Yoga, Tai Chi oder Chi Gong dazu, innere Blockaden, Stress und Ängste wie die soziale Angst, aufzulösen. Denn durch die Übungen stärkt man den Körper insgesamt – den Geist, die Seele und den Körper. Durch diese Verfahren erlangt man nicht nur eine größere innere Stärke und mehr Widerstandskraft, sondern auch ein gesundes Selbstbewusstsein, mehr Lebensenergie und eine verbesserte Problemlösefähigkeit.
Sport erhöht die Widerstandskraft und stärkt das Selbstbewusstsein
Auch regelmäßiger Sport ist eine geeignete Maßnahme, um soziale Angst abbauen zu helfen. Denn durch Ausdauer- oder Muskeltraining werden nicht nur der Körper und dessen Muskeln gestärkt, sondern auch der Geist. Entschlossenheit, Klarheit im Denken und Zielorientiertheit nehmen zu. Wer sportlich ist, dem fällt es leichter, sich seinen Ängsten zu stellen und konstruktiv mit ihnen zu arbeiten.
Gesunde Ernährung wichtig – auch bei sozialer Phobie
Ganzheitliche Heilungsansätze gehen davon aus, dass auch unsere Ernährung Einfluss auf unser psychisches Wohlbefinden hat. So wirkt sich eine gesunde Ernährung mit wenig Weißmehlprodukten und Süßwaren, aber viel frischem Obst und Gemüse, hochwertigen Eiweißen, Vollkornprodukten und pflanzlichen Ölen positiv auf unseren Gesundheitszustand aus.
Ein Mangel an essenziellen Nährstoffen, der durch einseitige Fast-Food-Ernährung leicht entsteht, kann einen Mangel an Gehirnbotenstoffen (wie Serotonin) verursachen, wodurch Angstgefühle gefördert werden. Eine zucker- und weißmehlreiche Ernährung bringt den Säure-Basen-Haushalt im Körper durcheinander, wodurch zusätzlich körperliche Erschöpfungssymptome und andere Beeinträchtigungen des Wohlbefindens auftreten können.
Gerade hochwertige Eiweiße sollten in ausreichender Menge aufgenommen werden. Denn aus ihnen bezieht der Körper die wichtigen Aminosäuren, die für den Hirnstoffwechsel benötigt werden. Aus Tryptohan, einer Aminosäure, die etwa in Nüssen, Sonnenblumenkernen, Hirse oder Hafer vorkommt, stellt der Körper beispielsweise das Serotonin her. Dies ist ein Botenstoff, der für mehr Glücksgefühle im Körper sorgt, wodurch die soziale Angst möglicherweise abgemildert werden kann.
Gesunder Lebensstil begünstigt Besserung der Symptome von sozialer Phobie
Eine ausgewogene Life-Work-Balance hilft dabei, soziale Angst, die aufgrund eines permanent zu hohen Stresslevels entsteht, in den Griff zu bekommen. Wer Stress, da wo es geht, reduziert, für positiven Ausgleich in Form von schönen Aktivitäten sorgt und ausreichend schläft, hat eine höhere Lebenszufriedenheit und kann sich seiner Angst besser stellen. Eine hektische Lebensweise mit zu viel Arbeit, wenig Schlaf und Pausen für Schönes bringen den Botenstoffhaushalt im Gehirn durcheinander, wodurch das Entstehen und Fortbestehen von Angststörungen begünstigt wird.
An wen wende ich mich, wenn ich an einer sozialen Phobie leide?
Die erste Anlaufstation bei Verdacht auf soziale Phobie ist der Hausarzt. Er wird weitere Untersuchungen veranlassen und Betroffene an einen entsprechenden Spezialisten weiterleiten. Wer von vornherein weiß, dass er eine Psychotherapie machen möchte, kann sich an einen Therapeuten mit Spezialisierung auf kognitive Verhaltenstherapie wenden.
Wichtig ist hierbei, dass die Chemie zwischen Therapeut und Patient stimmt, da der Behandlungserfolg sonst gefährdet ist. Herausgestellt hat sich in Studien auch, dass der Patient der Behandlungsmethode offen gegenübersteht. Der Behandlungserfolg bleibt oft aus, wenn die Methode nicht zum Patienten passt, weil er diese beispielsweise in Frage stellt.
Gute Behandlungsansätze bei Angststörungen wie der sozialen Angst bieten aber auch professionelle Heilpraktiker und entsprechend ausgebildete Coaches für Angststörungen an.
Verlauf einer sozialen Phobie
Bei einer Angststörung wie der sozialen Phobie ist es wichtig, sich möglichst frühzeitig Hilfe zu suchen. Denn ein spontanes Abklingen ist bei Angststörungen sehr unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist hingegen, dass eine unbehandelte soziale Phobie chronisch wird oder sich eine weitere Angststörung ausbildet. Nicht selten enden Angststörungen wie eine soziale Phobie in einer Depression, einer Sucht und im totalen gesellschaftlichen Rückzug. Betroffene können an der Erkrankung so verzweifeln, dass sie sogar vor einem Suizidversuch nicht zurückschrecken. Daher sollte mit dieser Problematik dringend ein Psychotherapeut, im Idealfall ein Verhaltenstherapeut, aufgesucht werden. Es bestehen sehr gute Aussichten auf Heilung.
Bachblüten bei sozialer Phobie
In der Bachblütentherapie werden seelische Aspekte der Persönlichkeit beleuchtet und damit korrespondierende Bachblütenessenzen eingesetzt. Darunter gibt es auch Blütenmittel, die zur seelischen Unterstützung bei Angst dienen. Bachblüten bei sozialer Phobie und Angst sind eine beliebte therapiebegleitende Maßnahme in der Alternativmedizin. Sie dienen nicht der direkten Behandlung, sondern sollen der Seele hilfreiche Impulse zur Überwindung geben. Die wichtigste Bachblüte bei sozialer Phobie ist Mimulus – die Bachblüte bei konkreten Ängsten – wie etwa der Angst im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen und bewertet zu werden – und für Personen, die unter Menschen schnell schüchtern, nervös oder rot werden.
Bachblüten werden stets nach den vorherrschenden Gemütszuständen ausgewählt. Pauschale Empfehlungen sind somit nicht möglich. Die Auswahl richtet sich nach den jeweiligen Gemütsempfindungen, die – in diesem Fall hauptsächlich in sozialen Situationen – persönlich empfunden werden. Hat der oder die Betroffene etwa Angst, die Kontrolle über das eigene Verhalten zu verlieren und sich daher peinlich zu verhalten, ist die Bachblüte Cherry Plum passend. Bei absoluter Panik und Schreckhaftigkeit die Bachblüte Rock Rose. Basiert die soziale Phobie auf Minderwertigkeitsgefühlen, ist es die Bachblüte Larch. Bei einer Neigung, sich schnell aus einer Situation zurückziehen zu wollen, bei Gefühlen der sozialen Isolation und Schwierigkeiten, sich auf Menschen einzulassen und sie anzusprechen, die Bachblüte Water Violet. Bei übermäßiger Selbstkritik und Schamgefühlen wiederum die Bachblüte Pine. Bei ständig wiederholenden Gedanken an die soziale Phobie, ihre Gründe oder Auswirkungen die Bachblüte White Chestnut. Und bei einer Einstellung, seine Angst unter keinen Umständen zeigen zu dürfen oder zu wollen, und Probleme abzustreiten, die Bachblüte Agrimony. Dabei sind es oftmals mehrere Bachblüten, die in der Bachblütentherapie kombiniert werden.