Eine bahnbrechende Möglichkeit, Traumata zu bewältigen
Wenn eine lebensbedrohliche Situation unsere körpereigenen Bewältigungsmechanismen überfordert, können wir ein Trauma erleiden. Dieses Trauma kann sich dann in Form von psychischen oder psychosomatischen Leiden zeigen. Neben klassischen Verfahren der Psychotherapie und modernen Ansätzen wie EMDR gibt es in der Traumatherapie eine Methode, die zurzeit besonders angesagt ist: das Somatic Experiencing (SE).
Somatic Experiencing ist eine Therapiemethode, mit der die körperliche Schockreaktion, die während des traumatischen Erlebnisses entstand, nach und nach aufgelöst wird, sodass Körper und Psyche wieder genesen können. Wie die körperorientierte Traumatherapie funktioniert, wie sie entstand und was ein Trauma eigentlich ist, erfährst Du hier.
Was ist Somatic Experiencing?
Somatic Experiencing ist eine körperorientierte Therapiemethode, um die gesundheitlichen Folgen einer traumatischen Erfahrung zu heilen. In diesem Ansatz geht man davon aus, dass die Schockenergie, die der Körper während des lebensbedrohlichen Ereignisses aufbaute, nicht angemessen aufgelöst, sondern weiter aufrechterhalten wurde. Die kann gemäß der zugrunde liegenden Traumaforschung zu den unterschiedlichsten psychischen und psychosomatischen Gesundheitsproblemen führen. Begründet wurde die Körpertherapie vom führenden Traumaexperten Dr. Peter A. Levine.
Warum körperorientierte Traumatherapie?
Für den renommierten Traumaforscher und Traumatherapeuten Peter Levine ist ein Trauma vorrangig eine körperliche Reaktion auf ein belastendes Ereignis, keine psychische. Daher kann es für ihn auch nur auf körperlicher Ebene überwunden werden.
Nach Levine entsteht ein Trauma immer dann, wenn der biologische Prozess, der abläuft, wenn ein Mensch in seinem Leben bedroht wird, nicht zu Ende geführt wird. Das bedeutet, dass der Körper eines Traumatisierten auch nach dem traumatischen Erlebnis weiterhin in seiner Schockstarre verharrt, weil ihm die Ressourcen fehlen, den biologischen Prozess zu einem Ende zu bringen. Dieser Zustand kann jahrelang aufrechterhalten werden.
Die Geschichte des Somatic Experiencing
1969 forschte der US-amerikanische Traumatherapeut und Biophysiker Dr. Peter Levine in den USA zur Frage, warum wild lebende Tiere, die sehr häufig in lebensbedrohliche Situationen geraten, im Gegensatz zum Menschen nicht traumatisiert werden. Er arbeitete damals unter anderem mit einer Klientin namens Nancy, bei der er eine unerwartete Entdeckung machte. Die Frau litt an schweren Phobien und Panikattacken. Mit den herkömmlichen Methoden kam er bei ihr nicht weiter.
Mit Somatic Experiencing die Instinkte zur Überwindung der Schockenergie wecken
Plötzlich hatte der Therapeut eine Idee. Er forderte Nancy auf, sich vorzustellen, wie sie vor einem Tiger davonläuft. Nancy begann daraufhin mit zittrigen Beinen auf der Stelle zu laufen. Ihre körperlichen Reaktionen wurden immer heftiger. Ihr Körper zuckte heftig und wurde von einem Schütteln erfasst. Levine interpretierte dies so, dass die Vorstellung von dem Tiger ihre natürlichen Instinkte weckte, die denen von Tieren bei einem Traumaereignis gleichen (Schütteln, Zittern, etc.). Nancy fiel in dem Moment ein traumatisches Erlebnis aus ihrer Kindheit ein, eine Mandeloperation, bei der sie das Gefühl gehabt hatte, sie würde ersticken.
Traumaerlebnis blockierte Nancys Lebenskraft
Diese Erfahrung nahm der Frau für lange Zeit die Lebensfreude und -kraft. Ihre Persönlichkeit veränderte sich nach diesem Ereignis zum Negativen. Nach einigen Jahren bildete sich dann die schwere Angstsymptomatik aus. Durch das Flüchten vor dem Tiger setzte sie die noch im Körper (genauer im Nervensystem) gespeicherte Schockenergie frei und vollendete den biologischen Kreislauf aus notwendigen Reaktionen zur Bewältigung eines traumatischen Ereignisses.
Fortan wurde der Tiger für Levine zum Symbol für die durch ein Trauma minimierte Lebenskraft, die aber durch adäquate Impulse seitens des Therapeuten wieder zur vollen Entfaltung kommen kann.
Durch das Somatic Experiencing lösten sich Nancys Ängste auf
Nancy fühlte sich endlich wieder lebendig und energiegeladen. Sie konnte ihr Leben fortan wieder genießen. Sie fühlte sich frei und nahm aktiv am Leben teil. Levine schloss aus seiner Beobachtung, dass auch der Mensch über natürliche Mechanismen verfügt, traumatische Erfahrungen zu verarbeiten und gänzlich zu überwinden, sodass die Seele keinen bleibenden Schaden davonträgt.
Ausarbeitung der Methode Somatic Experiencing durch Levine
Dr. Levine widmete sich weiterhin dem Gebiet der Traumaforschung und entwickelte seinen körperfokussierten Ansatz zur Traumaheilung, das Somatic Experiencing. Als Ergebnis seiner Arbeit gründete er die Foundation for Human Enrichment in Lyons, USA. Diese Institution trägt heute den Namen Somatic Experiencing Trauma Institute (SETI). Seit den 1990er Jahren ist Levine als Traumatherapeut für Somatic Experiencing in der ganzen Welt unterwegs.
Weiterentwicklung des Somatic Experiencing
Das Somatic Experiencing von Peter Levine entwickelt sich im Laufe der Zeit weiter und differenzierte sich immer weiter aus. Wurde es ursprünglich nur zur Therapie von Schocktraumata eingesetzt, werden inzwischen auch emotionale Traumata, frühkindliche Bindungs- und Entwicklungstraumata, vorgeburtliche Traumata, transgenerationale oder soziale Traumata nach dieser Methode behandelt.
Somatic Experiencing: Einsatz auch in Paartherapie, im Kriegs- oder Katastrophenfall
Zudem findet Somatic Experiencing sowohl in der Paarberatung als auch in der Mediation praktische Anwendung. Neuronale Verhaltensmuster beispielsweise, die in der frühen Kindheit durch eine traumatische Bindungserfahrung entstanden, können mittels Somatic Experiencing überwunden werden, damit eine Paarbeziehung gelingt und von guter Qualität ist.
Therapeuten, die nach dem Somatic Experiencing von Peter Levine arbeiten, betreuen beispielsweise auch Opfer von Naturkatastrophen wie einem Tsunami oder Menschen, die in Kriegsgebieten schlimme Erfahrungen gemacht haben.
Was ist ein Trauma?
Als Trauma wird in der Psychologie die seelische Verletzung bezeichnet, die in Folge eines von einem Menschen empfundenen lebensbedrohlichen Ereignisses eintreten kann. Als Auslöser kommen sowohl seelische als auch körperliche Extrembelastungen in Frage. Es gibt aber auch die Möglichkeit der indirekten Traumatisierung, die dann eintreten kann, wenn ein naher Angehöriger in eine lebensbedrohliche Situation gerät.
Wann kann es zu einem Trauma kommen?
Ein Trauma entsteht dann, wenn die köpereigenen Stressmechanismen überfordert werden, wenn also die Belastungsgrenze überschritten wird. Die zur Verfügung stehenden körperlichen Regulationsmechanismen genügen dann nicht, um das Erlebte angemessen zu verarbeiten und damit abzuschließen. Erlebnisse, die ein Trauma nach sich ziehen können, sind beispielsweise:
- Kriegseinsatz
- Folter
- Gewalterfahrungen
- eine Vergewaltigung
- ein Überfall
- ein Unfall (Verletzungen)
- eine Naturkatastrophe
- ein Terroranschlag
- eine Erkrankung
- eine Operation
- ein Todesfall
- Gewalterfahrung
- Mobbing
- Stalking
- eine Trennung
- emotionale Vernachlässigung
- unter bestimmten Bedingungen auch gewöhnliche Erlebnisse wie ein Sturz vom Rad
- ein Hundebiss
Wie entsteht ein Trauma?
Ein Trauma entsteht laut Levine dann, wenn ein Mensch sich in einer real oder gefühlten lebensbedrohlichen Situation befindet, der er weder durch Flucht noch durch eine Abwehrreaktion begegnen kann. In dieser Situation wendet unser Körper instinktiv die dritte Überlebensstrategie an, die Schockstarre. Diese Reaktion ist im Grunde die gleiche wie die, wenn Tiere sich im Angesicht einer tödlichen Gefahr sich plötzlich totstellen.
Im Gegensatz zur Flucht oder zum Angriff, bei der die Schockenergien sofort abgebaut werden, wird bei der Strategie der Schockstarre die komprimierte, sehr intensive Körperenergie nicht abgebaut, der Überlebensmodus bleibt bestehen – und hält über Jahre hinweg an.
Was passiert im Körper während eines Traumas?
Während der traumatischen Erfahrung arbeitet unser nicht steuerbares, vegetatives Nervensystem auf Hochtouren, denn es ist für die Bereitstellung der körperlichen Ressourcen bei (extremem) Stress zuständig. Es sorgt dafür, dass unsere Herzfrequenz sich erhöht, unsere Atmung schneller geht, unsere Verdauung ausgebremst wird und unser Blutdruck steigt. All dies sind lebensnotwendige Körperreaktionen, die es uns ermöglichen, in Gefahrensituationen blitzschnell zu handeln und beispielsweise die Flucht anzutreten.
Während des traumatischen Ereignisses empfindet ein Mensch maximale Angst, seine Muskeln, beispielsweise seine Nacken- oder Rückenmuskeln verkrampfen. Der Körper erstarrt und wählt als Überlebensstrategie die wie Levine es bezeichnet „Immobility Response“ (engl. Immobility: Unbeweglichkeit; Response: Antwort). Er verfällt in eine Schockstarre.
Immobility Response als Überlebensstrategie
Diese körperliche Schockreaktion ist ein sehr komplexer Vorgang. Dabei kommt es zum Aufbau einer sehr intensiven, mächtigen Körperenergie, die uns dabei hilft, ein belastendes Ereignis zu überstehen. Diese Energie kommt zustande, indem einerseits die Ressourcen für maximale Fluchtbereitschaft mobilisiert werden (etwa eine hohe Herzfrequenz und ein hoher Blutdruck), andererseits aber totale körperliche Passivität vorherrscht. Levine vergleicht diesen Zustand mit einem Auto, bei dem das Gaspedal voll durchgedrückt wird, zugleich aber die Bremen angezogen sind.
Traumatisierte befinden sich auch nach dem Ereignis noch in körperlicher Schockstarre
Menschen, die ein Trauma erleiden, haben diese Schockenergie laut Levine auch nach dem eigentlichen Ereignis noch im Körper und im Geist. Sie haben sie noch nicht abgebaut und können das Geschehene dadurch nicht hinter sich lassen. Levine spricht davon, dass der natürlich ablaufende Kreislauf der Stressbewältigung nicht gänzlich vollzogen, sondern abgebrochen wurde. Der Körper reagiert darauf mit anhaltenden oder wiederkehrenden psychischen und körperlichen Symptomen (etwa Angstattacken).
Der Körper eines Traumatisierten befindet sich nach Levine auch noch lange Zeit nach dem eigentlichen bedrohlichen Ereignis in diesem eigentlich nur für einen kurzen Moment angedachten, doch nun unfreiwillig verlängerten Überlebensmodus. Das bedeutet Stress für Körper und Seele, weshalb der Mensch nach einem Trauma auch stressanfälliger wird.
Körper sucht fortwährend nach Auslösern für eine Rückkehr in die Traumaerfahrung
Laut Levine sucht der Körper von Traumatisierten fortwährend nach Triggern (Auslösern), die sie in ihr Traumaerlebnis und in ihre durchlebten Emotionen zurückbringen. Viele nehmen ein Gefühl fortwährender Bedrohung wahr. So erklärt Levine das weit verbreitete Auftreten von Angststörungen in Folge eines traumatischen Erlebnisses. Dieser Prozess lässt sich nur dann durchbrechen, wenn dem Körper (mithilfe eines Therapeuten für Somatic Experiencing) gezeigt wird, wie er den in uns angelegten, biologischen Kreislauf zur Überwindung von extremem Stress vollenden kann.
Levine spricht in seinem Buch „Healing Trauma“ davon, dass während einer traumatischen Erfahrung körperliche Vorgänge ablaufen, die unseren Geist von unserem Körper entkoppeln, sodass wir in der Lage sind, die Schmerzen, die Scham, die Angst und das Entsetzen durchzustehen.
Mögliche Folgen eines Traumas
Verbleibt die Schockenergie im Körper, kommt es bei vielen Menschen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die entweder chronisch werden oder immer wiederkehren. Zu den psychischen Folgen eines Traumas zählen beispielweise:
- Hilflosigkeit
- Zusammenbruch
- Ohnmachtsgefühl
- Angststörungen, Phobien
- Panikattacken
- Depressionen
- posttraumatische Belastungsstörung
- Bindungsunfähigkeit
- Suchtverhalten
- verminderte Stressresistenz
- Persönlichkeitsveränderung (Entfremdungsgefühle)
- Essstörungen
Auch bestimmte körperliche Symptome können – müssen aber nicht – auf ein Trauma zurückgehen. Dazu gehören unter anderem:
- muskuläre (An-)Spannung
- Schlaflosigkeit
- Kopfschmerzen
- Nackenschmerzen
- Nervosität, Unruhe
- Schreckhaftigkeit
- Konzentrationsstörungen
- psychosomatische Störungen
- Erschöpfung/ Burnout
- chronische Schmerzen
- Störungen des Immunsystems
Was ist das Ziel von Somatic Experiencing nach Dr. Levine?
Das vorrangige Ziel von Somatic Experiencing ist das Auflösen der Schockenergie und die Vollendung des Kreislaufs aus biologischen Körpervorgängen zur Verarbeitung einer lebensbedrohlichen Situation. Levine spricht auch von einer Transformation des Erlebten, indem beim Traumatisierten während des Somatic Experiencing mithilfe von inneren Bildern Ressourcen zur Verteidigung der eigenen Person mobilisiert werden, die dem Menschen während des eigentlichen Traumaerlebnisses nicht zur Verfügung standen.
Kommt der natürliche Prozess zur Verarbeitung eines Traumas zum Ende, kann nicht nur die Seele eines Traumatisierten heilen. Nicht nur die psychischen Beschwerden können abklingen, sondern auch die körperlichen Reaktionen auf das ehemals unbewältigte Traumaerlebnis. Der Mensch kann im Idealfall ohne die gesundheitlichen Beeinträchtigungen weiterleben und deutlich besser mit der traumatischen Erfahrung umgehen. Die natürliche Selbstregulation im Nervensystem wird wiederhergestellt, das Wechselspiel aus Anspannung und Entspannung funktioniert wieder./p>
Wie funktioniert Somatic Experiencing?
Beim Somatic Experiencing geht es laut Levine darum, dass ein traumatisierter Mensch eine neue körperliche Erfahrung macht. In einem Gespräch versetzt der Therapeut den Patienten mithilfe von inneren Bildern in bestimmte Situationen, in denen er bestimmte körperliche Erfahrungen machen soll, die nötig sind, um das Trauma zu heilen.
Das Prinzip der Titration im Somatic Experiencing
Peter Levine arbeitet mit dem sogenannten Prinzip der „Titration“. Dies ist ein Begriff aus der Chemie. Dabei werden zwei Substanzen vermischt, die miteinander auf bestimmte Weise reagieren sollen. Tropfen für Tropfen wird die eine Substanz zur anderen hinzugefügt, um zu schauen, bei welcher Konzentration es zu einer Reaktion kommt.
Levine arbeitet in seiner Methode des Somatic Experiencing nach demselben Prinzip. Langsam, mit viel Ruhe und Schritt für Schritt wird dem Trauma-Patienten vermittelt, dass er nun sicher ist und keine Angst mehr zu haben braucht. Dazu führt der Therapeut mit ihm viele Übungen durch, in denen die körperliche Wahrnehmung und die Sinne geschult werden. Auch sollen darin neue körperliche Erfahrungen von Kraft und Macht gesammelt werden, die dem Traumatisierten dabei helfen, die Schockstarre aufzulösen.
Somatic Experiencing: Heilung ohne Wiedererleben des gesamten Traumaereignisses
Der Therapeut leitet den Traumatisierten beim Somatic Experiencing im Gespräch an, fragt nach spontanen eigenen Bildern, nach Empfindungen und körperlichen Wahrnehmungen, die der Patient während der begleiteten Fantasiereisen hat. Dabei wird der Traumatisierte nicht dazu bewegt, das gesamte Traumaerlebnis zu schildern. Denn er soll das Erlebte gerade nicht noch einmal durchleben müssen. Dadurch würde der Patient laut Levine unter Umständen nur weiteren Schaden nehmen.
Stattdessen werden beim Somatic Experiencing bestimmte Elemente mit in die Behandlung einbezogen, die beim Ereignis eine Rolle spielten. So pendelt der Traumatherapeut zwischen Bruchstücken der Erinnerung an das Traumaerlebnis und den neuen Erfahrungen, die nötig sind, um den Schock zu überwinden, hin und her. Dadurch wird das Trauma transformiert, also in eine neue, positive Erfahrung umgewandelt.
Kreislauf der Prozesse zur Traumaverarbeitung soll durch Somatic Experiencing abgeschlossen werden
Im Somatic Experiencing gibt der Therapeut dem Traumatisierten ein Ereignis zur Visualisierung vor, um den Prozess der weiteren Verarbeitung in Gang zu setzen. Im weiteren Verlauf wird auch mit Bildern gearbeitet, die der Gedankenwelt des Traumatisierten entspringen. Im Gegensatz zum eigentlichen Traumereignis soll der Patient den Prozess der körperlichen Verarbeitung aber diesmal zum Abschluss bringen.
Gedankliche Transformation des Traumaerlebnisses in eine kraftvolle Erfahrung
Zwar ist das Erlebte in den Fantasiereisen nicht real, aber die körperlichen Reaktionen sind real, weil der Körper sich erinnert. Dieser Umstand kann nun dafür genutzt werden, die körperliche Schockenergie aufzulösen. Dies geschieht laut Levine häufig, indem der Traumatisierte in die Rolle eines mächtigen Tieres wie eines Tigers, eines guten Jägers oder Kriegers schlüpft und deren Kraft und Macht sowohl im ganzen Körper als auch mental spürt. Diese Erfahrung von Macht und eigener Stärke ist es letztlich, die dem Patienten dabei hilft, den Ohnmachts- und Schockzustand zu durchbrechen.Wachgerufene Instinkte vermitteln uns ein Bewusstsein von der eigenen Stärke
Dabei werden laut Levine instinktive Ressourcen wie aggressives Verhalten und der Instinkt zum Töten wachgerufen, die uns dazu befähigen, in einer lebensbedrohlichen Situation zurückzuschlagen und das Überleben zu ermöglichen. Indem wir diese natürlichen Instinkte, die uns Angst machen und die wir daher gern meiden, aktivieren, schaffen wir es, das Trauma zu überwinden.
Denn nun erlebt sich der Traumatisierte als stark und aktiv, statt als schwach, passiv und ohnmächtig wie während des Traumaereignisses. Diese Erfahrung der eigenen Stärke ist für Levine einer der zentralen Punkte, um ein Trauma überwinden zu können und zu Aktivität und Lebensfreude – also zum eigentlichen Selbst – zurückzukehren.
Warum Traumatisierte die Schockstarre nicht auflösen können
Viele Tiere können lebensbedrohliche Ereignisse besser bewältigen als der Mensch und erleben kein Trauma. Allerdings vollziehen diese nach dem Ereignis bestimmte Reaktionen, wie sich schütteln, zittern oder tief ein- und ausatmen, um die Schockstarre noch an Ort und Stelle loszulassen. Uns Menschen unterscheidet hier, dass wir bewusst denken können, was uns daran hindert, die Schockenergie unmittelbar nach dem Schreckenserlebnis freizulassen. Folgende bewusste Denkvorgänge halten uns laut Levine in der Regel davon ab, ein Trauma zu überwinden:
- Wir schämen uns und fühlen uns schuldig, dass wir in der traumatischen Situation nicht reagiert haben (uns nicht gewehrt haben)
- Wir wollen anderen gegenüber nicht aggressiv sein (wollen niemanden verletzen)
- Wir empfinden die unwillkürlichen Verarbeitungsreaktionen auf einen Schock (wie Zittern, Schütteln oder tief Atmen) als unangenehm/ angsteinflößend, weil wir sie als Kontrollverlust über unseren Körper ansehen
- Wir verharren aufgrund von Todesangst in Schockstarre
Patienten lernen durch Somatic Experiencing, dass ihr passives Verhalten, also ihre Schockstarre, zum Überleben notwendig war. Sie begreifen, dass sie kein Fehlverhalten, sondern eine biologische Überlebensstrategie darstellt, mit der es Menschen tatsächlich schaffen, die Chancen, eine lebensbedrohliche Situation zu überleben, zu erhöhen.
Wann gilt ein Trauma beim Somatic Experiencing als überwunden?
Psychologen sehen ein Trauma dann als verarbeitet an, wenn der Betroffene über das Erlebnis sprechen und daran denken kann, ohne dass sein Nervensystem dabei in Stress gerät. Das Traumaerlebnis wurde auf allen Ebenen – körperlich, mental und seelisch – durch die neue positive Erfahrung verändert. Es kann nun in die eigene Lebensgeschichte integriert werden, richtet aber dadurch, dass es nun vollständig verarbeitet ist, in der Seele keinen Schaden mehr an und dominiert auch nicht mehr das Leben eines Menschen.
Die neuen Erfahrungen haben dem Menschen das frühere Gefühl von Sicherheit zurückgegeben. Die Selbstregulation im Nervensystem aus Anspannung und Entspannung funktioniert wieder. Der Körper und die Psyche sind zur Normalität zurückgekehrt.
Kann Somatic Experiencing auch noch viele Jahre nach einem Traumaereignis helfen?
Laut Levine kann die Methode des Somatic Experiencing auch noch Jahrzehnte nach dem eigentlichen Traumaereignis zum Einsatz kommen und ein Trauma heilen.
Stand der Wissenschaft zur Wirksamkeit des Somatic Experiencing
Eine wissenschaftliche Anerkennung der Therapiemethode nach Dr. Peter Levine steht noch aus, da es noch zu wenige Studien zum Thema Somatic Experiencing gibt. Allerdings sprechen die vielen positiven Behandlungserfolge aus der jahrzehntelangen therapeutischen Praxis von Dr. Levine für sich. Eine Studie aus dem Jahr 2017 beispielsweise konnte für das Somatic Experiencing positive Effekte nachweisen, die eine tatsächliche Wirksamkeit nahelegen.
Wo findet man Therapeuten, die nach dem Ansatz des Somatic Experiencing arbeiten?
Auf der Homepage des Vereins für Somatic Experiencing unter https://www.somatic-experiencing.de/traumatherapeuten-finden/ können Interessierte einen geeigneten Therapeuten in ihrer Nähe finden.
Tipp: Somatic Experiencing mit Bachblüten begleiten
Als sanfte Begleitmaßnahme zur Traumatherapie und zum Somatic Experiencing haben sich Bachblüten bewährt. Die seelischen Aspekte von Traumata ins Gleichgewicht zu bringen, ist eines der zentralen Themen in der Bachblütentherapie. Die Hauptblüte bei Traumata und unverarbeiteten Erlebnissen ist Star of Bethlehem. Diese kombinierst Du am besten mit den Blüten, die zu den seelischen Disharmonien passen, die sich während der Traumatherapie zeigen. Das kann beispielsweise eine Wut sein (Bachblüte Holly), das Gefühl an seine Belastungsgrenzen zu kommen und keinen Ausweg zu sehen (Bachblüte Sweet Chestnut), ein Gedankenkreisen rund um die traumatische Situation (Bachblüte White Chestnut), eine Angst durch die Therapie verrückt zu werden (Bachblüte Cherry Plum) oder etwas ganz anderes – von depressiver Resignation (Bachblüte Gorse) bis zu Selbstvorwürfen (Bachblüte Pine). Schau wirklich, welche Mittel Dein Befinden am stimmigsten repräsentieren und lass Dich bei Bedarf von einem qualifizierten Berater bei der Auswahl unterstützen. Du kannst die verschiedenen Essenzen nach Belieben kombinieren.
Vor einer Somatic Experiencing Sitzung ist es sinnvoll, Rescue Tropfen oder 5 Flower Globuli einzunehmen. Denn während der Sitzung wird auch die Seele automatisch wieder mit den traumatischen Erfahrungen konfrontiert. Die Rescue bzw. 5 Flower Mischung ist speziell formuliert für derart belastende Situationen.